Revision
Gestohlene Erfinderideen | Bestandsaufnahme
Dilemmata | Fiktion | Zeitraffer
Namensokkupation | Anspruch & Revision
Spass an Geschichte
Man nehme eine Geige – stimmt das G> Gis, das D>Des, das A>Ais und das E>Es, zieht noch eine fünfte Saite auf und nennt das chaotische Instrument FIDELONION. Erfinder und Konstrukteur Herr Fidel.
Die Diskussionen und [die Deutungshoheit der Archivare], beruhen auf Mutmaßungen und entbehren jeglicher konstruktiver Fakten. Hier ein [typischer Krefelder Artikel] als gäbe es die sächsischen Instrumentenbaumeister der damaligen und heutigen Zeit nicht. Warum nur beugen die Krefelder die Geschichte mit sturen Wiederholungen und Wortklauberei?
Eine „Tastaturerweiterung“ ist, wie der Name sagt, lediglich (bestenfalls bedarfsorientiert, machbar und sinnfällig) eine Erweiterung und keine „konstruierte Erfindung“. Zu missbilligen ist es, wenn die Indizien dann noch auf Übernahme fremden geistigen Eigentums hinweisen.
Ja, ich weiß, Glaubenssätze lassen sich nicht widerlegen, doch sicherlich halten die Krefelder Archivare geheime detailierte Konstruktionszeichnungen, Variantenvergleiche, Produktionsanweisungen samt Investitionsplan für Fabrikanlagen zum Bau eines Bandonions unter Verschluss. Ob Automobil, Bleistiftspitzer, Fahrradklingel, [Glühlampe], Telefon, Laser, Monopoly, Radio und so weiter. [Gestohlene Erfinderideen] sind Bestandteil unserer technologischen Geschichte. Ist das etwa bei meinem geliebten Bandonion*neon auch so?
Die Vergangenheit ist irreversible Wahrheit. Die Geschichtsschreibung ist ein veränderliches Abbild, welche sich eine Gruppe oder eine ganze Gesellschaft zu eigen macht und daher mit der Wirklichkeit nichts gemein haben muss. Mein Anliegen ist es, Wahrheitsfragmente zu bergen, Behauptungen bloßzustellen sowie Fakten & Indizien zu einem plausiblen Bild zusammenzufügen.
Genau so „chaotisch“ wie sich das Bandonion mit seiner Tonanordnung spielen lässt, genau so chaotisch sind die geschichtlichen Ereignisse seiner Entstehung überliefert. Würde man vermeintlich fundierte Informationen aus dem „Handbuch der Instrumentenkunde“ (Bosse-Verlag Regensburg) von 1954 zitieren, dann hätte Uhlig schon 1835 „eine sechseckige 128tönige Konzertina gebaut“. Oder Meyers-Lexikon 1930: „Bandoneon, eine verbesserte Wheatstone-Concertina“. Oder wenn Frau Dr. Krüger sich kontextfrei äußert: „Band baute einfach ein größes Instrument aus dem Accordion“.
Bestandsaufnahme
was die Lexika so hergibt | Ansichten
BI-Elementar-Lexikon Leipzig 1985 [1]: „Bandonion n: kaum noch gebräuchl. Handharmonika mit Knöpfen für Melodie und Begleitung; 1846 von H. Band aus der Konzertina entwickelt.“
Bertelsmann Lexikon 2003 [2]: „Bandoneon, eine Konzertina mit mehr als 88 Tönen, die der Krefelder Händler H. Band (*1821, †1860) seit etwa 1845 herstellen ließ.“
[https://ruhrmuseum.de/museum/…../bandoneon-mit-tragekoffer-carlsfeld-1920-1930]
„Entwickelt wurde das Bandoneon, ursprünglich Bandoneo, Mitte des 19. Jahrhunderts von dem Musiklehrer Heinrich Band. Er gründete eine Bandoneon-Fabrik und vertrieb die Instrumente in seinem Musikaliengeschäft in Krefeld.“
Auszüge aus dem derzeitigen Wikipediaeintrag 2025 (offensichtlich von einem Krefelder) Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Bandoneon
„Das Musikinstrument Bandoneon, ursprünglich Bandonion, ist ein von Heinrich Band konstruiertes Handzuginstrument aus der Gruppe der Harmonikainstrumente, das aus der Konzertina entwickelt worden ist.
Nachgewiesen ist, dass Band zunächst in Böhmen Konzertinas aufkaufte, an denen er als erster maßgebliche Veränderungen vornahm, weil er den geringen Tonumfang (54 Töne) der damaligen Konzertinas unzureichend fand. Band fertigte zuerst 64-tönige, später 88-tönige Instrumente.
Das Bandoneon wurde sehr schnell über die Stadtgrenzen Krefelds hinaus in ganz Deutschland bekannt und geschätzt. Band verbesserte den Tonumfang von 106 auf 112, dann auf 128 und zuletzt auf 130 Töne.“
Bandonion & Concertinafabrik Klingenthal
[https://bandonionfabrik.de/geschichte.html]
„Bereits 1854 wurde das von Heinrich Band im Jahr 1847 erfundene Bandonion von Carl Friedrich Zimmermann in Carlsfeld/Sachsen gebaut.“ ……. „Als Erfinder des Bandonions gilt aber Heinrich Band, der 1843 in Krefeld ein Geschäft für Musikinstrumentenlehre und -handel gründet. Er nimmt die entscheidenden Veränderungen an der Concertina vor, die zur „Geburt” des Bandonions führen. Das neue Instrument wird von ihm zunächst „Accordion” genannt.“
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ToDoTango – die allumfassende argentinische Standardseite:
[www.todotango.com/english/history/chronicle/149/The-bandoneon-name-origin-and-manufacturers/]
„Die frühen Instrumente von Band hatten 56 Töne mit je 14 zweistimmigen Tasten auf jeder Seite. Später fertigte er weitere mit 64 und mit 88 Tönen.“
Grundlegendes
- wechseltönig (auch bisonor) bedeutet nicht diatonisch, sondern im Aufzug/Zudruck unterschiedliche Töne
- gleichtönig bedeutet nicht chromatisch, sondern im Aufzug/Zudruck der gleiche Ton
- diatonisch bedeutet tonartgebunden (8tönige Oktave)
- chromatisch (farbige Diatonie) bezieht sich auf die 12 Halbtton-Schritte der Oktave (also wie Klavier)
- Bandanino und Bandonium sind verworfene Namensentwürfe
- Bandonion ab 1855 nachweisbar
- Bandoneon sukzessive und parallel ab ca. 1870
- Bandoneón & Bandoneones nur in Übersee (Lateinamerika)
- Wo sind Heinrich Bands Konstruktionsentwürfe oder wenigstens die Erwähnung eines Prototypes zu bestaunen?
- Wer traut dem Händler und Musiker H. Band konstruktive Manipulation und detailierte Produktionsanweisungen zu?
- Gibt es Großhandels-Lieferverträge und Verträge zu Wiederverkäufern bzw. Exportunterlagen während des 70jährigen Bestehens der Bandschen Instrumentenhandlung?
DILEMMATA
- [Accordion] Heinrich Band bezeichnete respektvoll die von ihm gehandelte ‚German Concertina‘ als „Accordion“. So wie es Uhlig, obwohl es ein Einzeltoninstrument ist, benannt hatte. Es ist verständlich, dass der zwanzig jahrelang gebräuchliche aber ‚unpassende‘ Name längst hätte geändert werden müssen. Während andere Instrumentenhändler schon den Namen „Concertina“ gebrauchen, versucht Band noch kurz vor seinem Tode den selbstbezogenen Namen ‚Bandonion‘ als Vermächtnis einzuführen? Was mindestens seinen Nachfahren gelingt – das Dilemma nimmt seinen Lauf, die Heiligsprechung ist nicht mehr aufzuhalten.
- [Instrumentenvergleiche] Es gleicht einem Paradoxon, dass die Musikwissenschaftlerin Frau Dr. Janine Krüger sächsische Instrumente mit sächsischen Instrumenten vergleicht. Dabei die Exportausführungen der mit ‚Band‘ etikettierten Instrumente mit absonderlich folkloristischen Namen betitelt und die aus der gleichen Produktionsquelle stammenden als Konkurrenzmodelle bezeichnet. Damit soll die qualitative Überlegenheit von Bandonions aus Bandscher Produktion (die es freilich nicht gibt) hervorgehoben werden. Why?
Die Fiktion
Der Kunde ist König – Das Bandonion als Auftragswerk
Bertelsmann Lexikon 2003 [2]: „Bandoneon, eine Konzertina mit mehr als 88 Tönen, die der Krefelder Händler H. Band (*1821, †1860) seit etwa 1845 herstellen ließ.“
Fiktive Auszüge aus Korrespondenzen und Verhandlungsgesprächen
(Unterstreichungen sind nachweisbare Indizien)
Variante 1.) Reichel und Band bei einem Treffen in Chemnitz 1849: „Herr Reichel, mir ist zu Ohren gekommen, dass sie beabsichtigen in den Bau von Concertinas zu investieren und eine neue Manufaktur zu gründen. Sie wissen, kaufe ich seit Jahren bei ihrem Stiefvater Concertinas, die er immer noch Accordion nennt, obwohl diese nur Einzeltöne haben. Doch das respektiere ich, vor allem, ob der Ausführungsqualität. Dennoch möchte er, trotz großer Bitten meiner Kunden, keine größeren chromatischen Instrumente bauen und seine Fertigungslinien nicht mehr umstellen. Dieser Zimmermann hat doch auch schon 108 Töne unterbekommen.“ Darauf Reichel: „Herr Band sie haben doch eine eigene Fabrik, warum machen es nicht einfach selbst?“ Band: „Äh, das ist, äh, damit unsere werte Kundschaft glaubt, äh, nein, können wir gerade nicht.“ Reichel: „Aha, na ich will sehen, was sich da machen lässt, sie sagten 500 Stück? Dann frage ich mal unsere Werkmeister wie wir noch mehr Töne unterkriegen. Wir tüfteln ohnehin gerade an runden, sechs- & achteckigen Gehäusen und Gelenkpuppen für weitere Tastenreihen. Haben sie diesbezüglich Wünsche oder können wir ihnen etwas vorschlagen?“ Band: „Hah, darüber denke ich schon seit Jahren nach und finde keine praktische Lösung und im Übrigen, muss ich ja auch noch meinen Laden am Laufen halten und will selbst musizieren. Also, das ‚Wie‘ überlasse ich ihnen, wo eben Platz ist. Aber, belassen Sie die alte Uhligsche Kernlage, die brauchen meine Altkunden. Ach noch eins – nennen Sie doch das Instrument vorerst <Bandanino>“.
Variante 2.) Band zu Reichel: „Sie hatten im letzten Brief eine neue Erfindung angekündigt und benennen diese jetzt Concertina. Ist denn der Name gar nicht geschützt? Reichel: „nicht das ich wüsste und Accordion geht ja gar nicht“. Band: „Achso, dann habe ich da schon so eine Idee.“
Variante 3.) Kunde zu Band: „Herr Band sie haben mir doch ein Accordion verkauft„ Band: „Ja – ein Exportmodell aus Sachsen, beste Ausführung“ Kunde: „Herr Band, da sind aber keine Akkorde gekoppelt“ Band: Mmh, ich weiß – aber mein Produzent traut sich nicht den Namen zu ändern“. Kunde zu Band: „also der Schmitz um die Ecke nennt es Concertina und bei einem Besuch in Leipzig las ich sogar chromatische Harmonika. Haben sie diese auch im Angebot?“ Band: „Da werde ich mal bei unserem Lieferanten nachfragen, guten Tag noch.“
Variante 4.) Band zu Zimmermann: „Moin, ein Kunde von mir sprach von chromatischen Concertinas. Könnte ich da mal ein Probemodell bestellen? Auch benötige ich die dazugehörige Tabulatur/Schule, einmal genügt.“ Zimmermann „aber gern“. Vier Wochen später in einem Brief von Band: „Hiermit Bestellung von 1200 Exemplaren Ihrer neuen ‚Concertina‘. Vor der Balgklappe ist mit BANDONION zu kennzeichnen. Etikettieren tun wir selbst.“ Zimmermann: „Die Lieferung ginge klar, aber die Instrumente heißen schon länger CONCERTINA. Daher muss ich von solch‘ Sonderwunsch absehen.“ Band zwei Wochen später: „Werter Herr Zimmermann, wir haben uns aus gutem Grunde für das preislich unschlagbare Angebot von Herrn Reichel entschieden. Wir sind an langjährigen Lieferverträgen interessiert, doch wie ich hörte, überlegen Sie Auszuwandern. Daher wünsche ich Ihnen gute Reise und bedanke mich für die bisherige Zusammenarbeit.“
So oder ähnlich kann und wird es sich zugetragen haben, freilich nicht ganz so hochdeutsch. Schon immer waren solche Aufträge ein Eingriff in die bestehenden Fertigungsroutinen aber, wenn der Kunde nicht allzu „nörgelig“ ist und es sich lohnt, machbar. Ein Tastaturentwurf vom Kunden taugt nichts, wenn er über keine konstruktiven Kenntnisse verfügt und an der Machbarkeitsstudie scheitert. Wir wissen, Uhlig wollte seine „Fertigungslinien“ und sein in sich schlüssiges Tonsystem nicht umstellen. Also ist es wahrscheinlich, dass H. Band in Sachsen Instrumentenbauer „abklapperte“, mit der Bitte ihm doch größere Instrumente anzubieten, um den Wünschen seiner spielenden Kundschaft nachzukommen. Er wurde bei Reichel fündig, der runde und achteckige „Accordions“ im Angebot hatte und gerade seine Instrumente „vervollkommnete“ und 1850 in Chemnitz seine Produktion aufnahm. Und ob und wie innerhalb der sächsischen Instrumentenbauergilde „gekupfert“ wurde oder aber ein interdisziplinärer Wissensaustausch stattfand, wissen wir nicht.
Früher und heute bauten und bauen die Instrumentenmacher auf Kundenwunsch. So wünscht sich ein Kunde eine Tastaturerweiterung der 142tönigen „Rheinischen Tonlage“ im Diskant „unten rum“ ab F > Fis > G > Gis und „oben raus“ noch A > Bb > H > C; gern gleichtönig und auch plausibel. Wegen einem Stück, mmh, so eine Sache – ab 1000 Stk. Abnahme gern, dann allerdings nur noch mit Wunsch-Namen. Nur ausgedacht? Nein, während der großen Exporterfolge der goldenen Zwanziger Jahre nach Nord- u. Südamerika beauftragte Hohner den Bandonionproduzenten ELA: „Herr Arnold, nennen Sie es <Echo> und <Tango>“ und vergessen Sie nicht mit „Hohner“ zu etikettieren, bei Bands Sohn haben sie es doch auch gemacht“.
Und es gibt noch einen elementaren Unterschied zwischen einem Instrumentenbauer und einem Händler – das ist die Vorratshaltung. Ein Instrumentenbauer baut nach Auftragslage (das ist bis heute so). Ein Händler analysiert das Risiko des Wiederverkaufs, kauft daher größere Margen, um einen „guten“ Preis zu erzielen. Wenn Band inseriert „bei uns vorrathig“, dann ist das eines der stärksten Indizien, dass Band kein einziges Instrument baute.
100 Jahre im Zeitraffer
von Handäoline zum Bandoneón
- Buschmann baut einen Balg zwischen Stimmplattengehäuse, nennt dies „Handäoline“
- Demian erfindet ein „halbes Accordion“ und stimmt ganze Akkorde ein
- der Engländer Wheatstone [7] patentiert ein chromatisch gleichtöniges Spielsyteme
- Uhlig baut ebenfalls Kasten links, Basstöne < Balg > Kasten rechts, Diskanttöne – stimmt wechseltönig und Tonreihen diatonisch in Terzen. Er nennt 1834 seinen quadratischen Instrumenten-Entwurf „Accordion neuer Bauart“, so wurde es von Band in Inseraten bis 1855 auch verwendet
- Uhlig/Lange fertigen weitere diatonische Reihen
- der Begriff „German-Concertina“ erscheint 1846 in einem englischen Tutor für „Twenty and ten Keys“ [23]
- lt. Frau Dr. Janine Krüger etikettiert Heinrich Band in seiner Krefelder Werkstatt gekaufte Instrumente mit seinem Namen (Vermutung)
- Dez. 1850 Band (Anzeige) „durch eine neue Erfindung …haben wir Instrumente (Konzertinas) mit neuer Konstruktion 88 bis 104tönige vorrathig…und bisherige 20 bis 88tönige“
- Zimmermann stellt 1851 88- & 108tönige chromatische Concertinas mit Octavdruck auf der Weltausstellung in London vor
- 1855 Band (Anzeige) bewirbt gekaufte Concertinas/Accordions als „Bandaninos“ – (unwahrscheinlicher Schreibfehler, gern als Anekdote erzählt) und evtl. Bandonium für den Frankreichexport (beides revidierte Namensentwürfe)
- 1855 in einem Freundesbrief wird sich für ein „Bandonion“ bedankt
- 1856 Schmitz (Krefelder Instrumentenhändler) erste gedruckte Namensveröffentlichung in einer Anzeige „Concertina … auch Bandonion genannt“
- 1860 Band verstirbt – Bands Witwe verkauft nur noch „Bandonions aus e i g e n e r Fabrik“
- ab 1864 vollzieht ELA/Carlsfeld den Vollausbau bis zum 142tönigen „Rheinischen“ Bandoneon
- Bands Nachfahren bekommen ab 1900 offenbar keine größeren Produktionskapazitäten mehr in Sachsen und verlieren ihren Sonderstatus extragefertigter eckkantiger Exportmodelle
- die gebrochene „Lyraecke“ hat sich durchgesetzt, das Selbstbewusstsein der Harmonikaproduzenten spielt Alfred Bands „Markenkleben“ nicht mehr mit und man offeriert zunehmend unter eigenem Namen
- Tastaturentwürfe, Stark, Zademack, Pegury, Kusserow u.a. räumen das chaotische System auf und bauen gleichtönige didaktische Instrumente in konstruktiven Merkmalen der Konzertina
- Konzil des Bundesverbandes kreiert 1924 das 144tönige Einheits-Bandonion & die 128tönige Einheitskonzertina
- AA und ELA übernehmen fast komplett den Export nach Südamerika, andere wie Hohner wollen partizipieren, wiederholen Bands Markenkleberei und labeln ELA-Instrumente.
Es sei betont, Heinrich Band und seine Nachfahren haben an der konstruktiven Evolution des Bandoneons keinerlei Anteil – Vorgaben zur Tonanordnung nicht vorhanden. Die Grundidee liegt bei Buschmann und Uhlig gleichermaßen. Antrieb der Fortentwicklung des Instrumentes war und ist das eigentliche geschichtliche Vermächtnis bis zum heutigen Tag, den Interventionen und Anforderungen der Musiker nachzukommen. Die „erfinderischen“ Leistungen als auch die immerwährende Investition in die Produktion und Verbesserung von Bandonions fanden und finden in Sachsen statt.
Was hat denn Heinrich Band nun gemacht?
Die Okkupation
Band hat sich den Namen der von ihm ‚Accordion‘ genannten ‚Concertina‘ zu eigen gemacht. Band versah „fremd“ gefertigte Instrumente mit eigenem Namen. Seine Nachfahren liesen von den sächsischen Herstellern die Instrumente bedenkenlos und penetrant mit ‚Bandonion‘ beschildern. Unbeschadet ist Band und seinen Nachfahren eine rege Verlagskultur zuzuschreiben und damit die Verbreitung der „chaotischen“ Tonanordnung.
Nach heutiger Ansicht liegt klar eine Urheberrechtsverletzung [Google Search] (Aneignung fremder geistiger Leistung) vor. Wie Frau Dr. Janine Krüger feststellt: Übernahme des Tastaturlayouts samt Bezeichnung der „im Kern gleichgebliebenen Tonlage“ Zimmermanns.
Die „Tastatur-Erweiterung“ der in sich spieldidaktisch schlüssigen diatonischen Konzertina, gebar das Dilemma aller Bandonionspieler, die den Klang des Instrumentes doch nicht seine Tonanordnung lieben. Die Verbreitung dieser „chaotischen“ Tastatur ist Verdienst der Bandschen Dynastie und damit gleichsam Fanal für den verlorenen hundertjährigen Beliebtheitswettbewerb ‚Akkordeon versus Bandonion‘.
Gebürt Heinrich Band Respekt für die dilettantische Tastenerweiterung der Konzertina? Von mir aus gern, damit hat er aber kein Instrument entworfen. Band war zu allererst Kaufmann mit zu billigender Gewinnerzielungsabsicht, in einer schwierigen politisch aufgeheizten Zeit. Er und andere (z.B. Schmitz/Krefeld, Arthur Weber/DO) kauften Instrumente im deutschen Hinterland und wir wissen, um die sozialen Belange der Fabrikarbeiter in Schlesien und Sachsen, welche die revolutionäre Situation in Deutschland um 1848 provozierten. Band als Erfinder bzw. Konstrukteur zu bezeichnen kann nur nach seinem Tode geschehen sein. Nirgends kann ich den Erfindungsanspruch von ihm selbst geäußert entdecken. Er offerierte 1850 noch als „Instrumentenhandlung“ und erst kurz vor seinem Tode als Fabrikant. Auch in der von ihm erschienenen 2ten Auflage der „Praktischen Schule für 88töniges Accordion“ ist dem Vorwort kein Hinweis auf eine selbstbezogene Erfindung bzw. Tastaturerweiterung zu entnehmen.
Als persönliche Quintessenz aus dem schönen Buch von Frau Dr. Janine Krüger „H. Band – Bandoneon – Reise aus dem Niederrheinischen in die Welt“ [11] entnehme ich herzlichst, und in großer Demut vor ihrer Recherchearbeit, die Fussnote {39}: „Für seine [H. Band] Instrumentenhandlung ist somit ein Geschäftsraum mit dazugehhöriger Werkstatt anzunehmen, wo wahrscheinlich die Arbeit an Prototypen oder aber die Etikettierung vorgenommen wurde.“
Bands Nachfahren ist die massenhafte Verbreitung der „verqueren“ Tastaturanlage des Bandonions zuzuschreiben. Und das so erfolgreich, dass bis heute in allen möglichen Publikationen und von selbstberufenen Experten die Namens-Annexion und die Tastaturerweiterung der vorhandenen Konzertina als Erfindung beschrieben wird. Der Brockhaus Lexika-Eintrag von 1864, wurde lange Zeit von einer in die andere Lexika übertragen, bis zum derzeitigen deutschen Wikipedia-Eintrag. Im Bertelsmann-Lexikon 2003 erscheint dies revidiert und kommt dem historischen Sachverhalt sehr nahe.
Band hat durchaus Namensversuche unternommen, welche offensichtlich verworfen wurden. In einer Anzeige von 1855 werden „Accordions und Bandaninos“ offeriert. Dies soll angeblich ein Schreib/Setzfehler sein, das kann ich überhaupt nicht nachempfinden, sondern finde es respektierlich und plausibel. ‚Bandonium‘, das von Karl Oriwohl vielgescholtene Unwort, sollte vielleicht für Exportinstrumente nach Frankreich gedacht sein. Später wird es nochmals in einer Schule von M. Ullrichsen verwendet. Mir ist allerdings im Lauf der Jahre aufgefallen, dass oft Laien diese Bezeichnung als Terminologie bzw. vermeintliches Wissen verwenden.
‚Bandonion‘ taucht erstmals 1855 in einem Brief Seyffardts aus Amerika auf. Er war ein Freund der Familie Band, mithin muss dies als „Insiderwissen“ deklariert werden oder ganz verrückt, hat doch der Seyffardt sich das am Stammtisch ausgedacht? In einer Krefelder Anzeige von 1856 schreibt der Krefelder Instrumentenhändler Schmitz: „Accordion’s, Concertina’s (von einigen auch wohl Bandonion’s genannt) ..und patentierte …mit Oktavdruck“. Hierbei kann es sich nur um Zimmermannsche Produktion handeln.
Band verstirbt 1860 frühzeitig an einer Krankheit. Bands Witwe und Ihr Geschäftspartner Dupont erwähnen erstmals, dass „Das Bandonion auch Concertina oder Accordion“ genannt wird. In England wurde Uhligs „Accordion“ in einem Tutor schon 1846 als „German Concertina“ [4] benannt. Das heißt, die Bands wussten mit was für einem Instrument sie handeln, dass es Zeit war im Gedenken an den Verstorbenen eine Reminiszenz zu erzeugen und den unpassenden Namen „Accordion“ abzulösen.
Parallel hatte sich das richtige ‚Accordion‘ entwickelt und ab etwa 1870 allgemein zu Abgrenzung gegenüber der falsch bezeichneten Konzertina als „Akkordeon“ [12] etabliert. Diese „eon“-Endung fand nach und nach bei Exportmodellen aber auch in deutschen Anzeigen Anwendung. Alfred Band labelte bis zum Schluss mit „ion“, so wie es sein Vater vorgeschlagen hat.
Im sozialen Kontext der 1848-Revolutionsjahre und der Ausbeutung der sächsischen Lohnarbeiter/Manufakturen, können wir Band nicht auf den Sockel des Erfinderdenkmals heben. Die „romantische Verklärung“ einer undurchdachten Tastaturerweiterung um wenige Töne, als Erfindung zu preisen, wie es die Stadt Krefeld naiv verkündet, ist absolut unangebracht und zeugt keinesfalls von einer glaubwürdigen Historiendarstellung.
Das Kuckucksei
<Zitate aus dem Video>:
Dr. Janine Krüger „…er [Heinrich Band] hat aus dem „Accordion“ einfach ein größeres Instrument gebaut..“ – „…und es stehen noch Zahlen über den Knöpfen, man kann ohne Notenkenntnisse … ein Instrument lernen“.
Der OBM Krefelds F. Meyer: „…ein Instrument was aus unserer Stadt stammt…
Gabriele König Kulturreferentin: „…ich kenne sonst keine Stadt, die sich tatsächlich ein Instrument zu eigen machen kann, …es kommt tatsächlich hier her „[Krefeld].
Anspruch & Revision
Krefeld besteht darauf, dass das Instrument Bandonion seinen „Weg vom Rheinland hinaus in die Welt“ nahm, also auch nach Sachsen. Welch‘ phantasievolle Geschichtsbeugung oder anders gesagt „Error – unerlaubter Zirkelbezug“. Nein, das Bandonion kommt nicht aus Krefeld. Alle gezeigten Instrumente kommen aus Sachsen und sind gelabelte fremdproduzierte eingekaufte Waren. Uhligs Urintension: „ein systematisch zu spielendes und mittels Zahlen/Symbole einfach zu lernendes Instrument zu bauen“ wird kurzerhand auf Band übertragen. Oij, joij, joij – ganz schön selbstbewusst.
Nein, Band baute nicht „einfach“ ein größeres Instrument und schon gar nicht aus dem ‚Accordion‘. Es bleibt lediglich Behauptung, dass Band bei Fremd- bzw. Auftragsfirmen veranlasste, einzelne Töne der vorhandenen deutschen Konzertina „umzustimmen“, Belege/Notizen/Protokolle/Anweisungen sind bisher nicht auffindbar.
Woraus leiten die Krefelder ihre Erfindungshoheit ab?
1890/1891 ein Artikel von Uhligs Schwiegersohn Johann David Wünsch (1814–1895) aus dem Leipziger Tageblatt (vom Hörensagen): „…auf Veranlassung von Band sowie einiger Spieler wurden nun auch Instrumente mit 88 Tönen gebaut, an denen Band einige Töne umstimmte und ein Schild mit dem Namen Bandonion anbrachte…“ [5]
Der Wunsch nach Tastaturerweiterung wurde zweifelsfrei von rheinländischen Spielern an Heinrich Band herangetragen. Doch wir müssen genauer „hinhören“. Umstimmen, das heißt, direkt die Stahlzunge befeilen, um diese einen Halb- oder Ganzton zu erhöhen oder erniedrigen. Mehr ist nicht „rauszuholen“ und würde zum Dauerbruch führen. Neue Töne benötigen einen Neubau der gesamten Stimmplatte, der Stimmstöcke, der Grundplatte und Einpassen der Tastaturanlage. Meine Behauptung: das war Band konstruktiv und technologisch nicht möglich! Was meinen Sie, meine Herren Geuns, Fuhrich, Wallschläger, Fischer, Heveling?
Die {Recherchearbeit des Münchners Norbert Seidel} legt den Schluss nahe, dass der Carlsfelder Carl Friedrich Zimmermann [6] die Erweiterung des Tonumfanges der deutschen Konzertina vorgenommen hat.
Es gibt keinen Bandschen Prototyp! Die Instrumentenentwicklung können wir nur anhand der in Sachsen gefertigten Originalinstrumente, aus der Zeit von 1821 bis 1855, nachvollziehen. Es war alles funktionierend schon da, der Kasten, der Balg, die runden Tasten, das Hebelwerk/Befederung/Dichtung/Dämpfung, die Stimmplatten, die Oktavierung, die Aufteilung in Bass und Diskant (im Gegensatz zu Wheatstone [7]), die diatonische (tonartgebundene), teilweise chromatische (Intervall kleine Sekunde) aber wechseltönige Tonanordnung. Was fehlte war ein Patent, weil das deutsche Patentamt [8] erst 1877 eröffnete. Die Bands machten sich dies zu Nutze und gingen forsch in die Vermarktung, sie waren weder Instrumentenmacher noch Konstrukteure und inserierten hochstapelnd als Fabrikanten.
Bässler, Seifert, Thiele, Bischoff, Wiesner, König, Reichelt, Zeuner, Burkhard, ELA, Alfred Arnold, Arno Arnold, Birnstock [9] und viele andere sind „tatsächliche“ Bandonion- und Konzertinahersteller. Was kann man von Erfindern bzw. Produzenten abverlangen? Z.B.
– metallurgische EXPERIMENTE mit den Legierungen der Stahl-, damals auch Messingzungen,
– Zungenformen, Zungenstärke, Schliff, Beschwerung (Blei, Lot, Wachs etc.)
– die Durchbiegung- und Ansprechverhalten der Zungen [10],
– Tonveränderung bei Druckunterschieden,
– Kanal- & Hebelöffnungsweiten,
– zu den Druck- & Größenverhältnisse in den Stimmstöcken,
– verschiedene Variantenvergleiche zu didaktischen Mensuren,
– Ventilierung, Abdichtungen
– Gängigkeit und Lagerung der Hebelmechanik, Gelenktasten
– ergonomische Anordnung und Federdruck der Tasten,
– Balgentwicklung Knicktest, Dauerbruch,
– Leime und Kleber
– Beschläge, Schrauben, Nägel
– Tests zur Materialdauerfestigkeit und
– technologische Vorgaben zur Arbeitsteilung, Materialbeschaffung, die sozialen Attitüden jedweder Produktion.
Doch vielleicht tun wir Heinrich Band unrecht und seine Krankheit bestimmte sein Leben. Immerhin wenige Tage nach seinem Tod übernahm die Witwe Johanna Band mit einem Zigarrenhändler namens Dupont die Geschäfte und ab 1882 dann ihr Sohn. Dieser war nicht mehr so zimperlich wie der Vater (der „nur“ seinen Namen aufklebte) und ließ auf jedes gekaufte Instrument die Blechmarke „A.Band,Crefeld Bandonion-Fabrik“ anbringen.
Die späteren Versuche eine aufgeräumte logische Tastatur zu etablieren, scheiterten alle an den massenhaften Verkäufen der „unsäglichen Tastatur“ (Zitat Oriwohl) des Rheinischen und Einheitsbandonions (ab 1924). Wieder „umlernen“ wollte keiner. Egal ob Bandonion oder Concertina, es wurde ohnehin in der alten Kernlage von Uhlig/Zimmermann gespielt. Die erweiterte Tastatur blieb „nach vielen Übungsstunden der Verzweiflung“ ambitionierten Spielern vorenthalten. Falls Ihr liebe Lesende, mal auf einen Bandoneonspieler treffen solltet, bittet ihn, das eben gehörte Stück nur einen „halben Ton tiefer“ zu spielen. Ihr werdet zu hören bekommen: „oh, ich habe noch einen Termin“. Deshalb sind in der heutigen Zeit die Gleichtoninstrumente auf dem Vormarsch, vor allem für Spieler, welche zuvor Akkordeon gelernt haben.
Reminiszenz: „Band hat’s vergeigt“.
Heinrich Band hätte spätestens nach dem 6ten „irgendwohin“ verlegten Ton intervenieren müssen und eine didaktische Tastaturanlage „erfinden“ können und dieses Palaver um die Erfinderhoheit würde gar nicht stattfinden.
{<<< hier geht’s zur Geschichte des Bandonions >>>}
[1] BI-Elementar-Lexikon Leipzig 1985
[2] Bertelsmann Lexikon 2003
[4] concertina.com/merris/minasi-german-tutor-1846/index.htm
[5] rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-band/
[6] carl-friedrich-uhlig.de/von-chemnitz-ins-umland/
[7] concertina.com/wheatstone/Wheatstone-Concertina-Patent-No-10041-of-1844.pdf
[8] dpma.de/dpma/wir_ueber_uns/geschichte/index.html
[9] bando-bando.de/verschiedenes/hersteller.html
[10] klausrohwer.de/privat/hobbies/muha/muhapubl/strobo.htm
[11] klartext-verlag.de/buecher/sachbuch/5938/heinrich-band.-bandoneon
[12] harmonikaverband.at/2018/08/10/175-jahre-accordion/
[13] blattfuchs.de/produkt-kategorie/print-produkte/sachbuecher/