




























Concertina >> Bandonion >> Bandoneón
Das Bandonion*neón gehört zur Instrumentenfamilie der Harmonikas und ist der Art nach eine „Konzertina“. Die Erfindung und der Abschluss der grundlegenden Entwicklung des Instrumentes ist zeitlich auf die erste Hälfte des 19. Jhd. belegt. Aus kleinteiliger Hand- und Heimarbeit wurde es durch Arbeitsteilung und dem technologischen Fortschritt im Maschinenbau möglich, in den sächsischen Manufakturen im Anfang des letzten Jahrhunderts große Stückzahlen herzustellen. Der heutige weltweite Bestand setzt sich überwiegend aus ehemals nach Argentinien (30 bis 50 Tsd. bis etwa 1948) exportierten Altinstrumenten zusammen. Mit der Einstellung der Produktion 1964 bzw. 1971 verlor das Instrument seine Bedeutung. Sowohl die Piano- als auch die Knopfakkordeons haben sich gegenüber der „verqueren“ Tastatur des Bandonions weltweit durchgesetzt. Neu gebaute Bandoneóns (wieder hauptsächlich in Sachsen), werden unter Einsatz moderner CNC-Technik hergestellt, welche allerdings den patinierten Klang der Altinstrumente erst nach jahrelangem Spielen nahekommen. Klangvergleich AA<>Gutjahr (Youtube Link)
Wer hat es erfunden?
Das Bandoneón ist ein Stufenwerk von Instrumentenbauern wie Buschmann, Demian, Uhlig, Lange, Zimmermann, ELA, AA, Stark, Zademack, Pegury und vielen ungenannten Instrumentenmachern & Konstrukteuren. Es sei ausdrucklich betont, Heinrich Band hat an der konstruktiven Evolution keinerlei Anteil. Die Grundidee liegt bei Carl Friedrich Uhlig aus Chemnitz. Antrieb der Fortentwicklung des Instrumentes war und ist bis zum heutigen Tag, den Interventionen und Anforderungen der Musiker nachzukommen. Die „erfinderischen“ Leistungen als auch die immerwährende Investition in die Produktion und Verbesserung von Bandonions fanden im Dreiländereck Sachsen – Bayern – Böhmen statt. Als „ultima ratio“ der Klangwirkung und klingendes Herz gelten die Stimmplatten der Geraer Firma DIX.
Was hat den Heinrich Band nun gemacht?
Es war alles funktionierend schon da, der Kasten, der Balg, die runden Tasten, das Hebelwerk/Befederung/Dichtung/Dämpfung, die Stimmplatten, die Oktavierung, die Aufteilung in Bass und Diskant (im Gegensatz zu Wheatstone), die diatonische (tonartgebundene), teilweise chromatische (Intervall kleine Sekunde) aber wechseltönige Tonanordnung. Was fehlte war ein Patent, weil das deutsche Patentamt erst 1877 eröffnete. Band machte sich dies zu nutze und ging forsch in die Vermarktung, er war weder Instrumentenmacher noch Konstrukteur und inserierte dennoch als Fabrikant.
Im sozialen Kontext der 1848-Revolutionsjahre und der Ausbeutung der sächsischen Lohnarbeiter/Manufakturen, können wir Band nicht auf den Sockel des Erfinderdenkmals heben. Die „romantische Verklärung“ der Tastaturerweiterung und obendrein noch die „Erfindung des Tangos“, wie es die Kulturministeriale von Krefeld gern hätten, ist absolut unangebracht und zeugt keinesfalls von wissenschaftlicher Historiendarstellung.
Es bleibt Vermutung, dass Band bei Fremd- bzw. Auftragsfirmen veranlasste, einzelne Töne der vorhandenen deutschen Konzertina umzusetzen, Belege/Notizen/Protokolle gibt es dafür keine. Die Instrumentenentwicklung können wir nur anhand der in Sachsen gefertigten Originalinstrumente, aus der Zeit von 1834 bis 1855, nachvollziehen. Band versah die „fremd“ gefertigten Instrumente, obwohl diese längst ‚Concertina‘ genannt wurden, mit dem Eigennamen ‚Bandonion‘. Nach heutiger Ansicht liegt klar eine Urheberrechtsverletzung (Aneignung fremder geistiger Leistung) vor. Wie Frau Dr. Janine Krüger feststellt: Übernahme des Tastaturlayouts samt Bezeichnung der „im Kern gleichgebliebenen Tonlage“ Zimmermanns.
Die „Tastatur-Erweiterung“ der in sich spieldiktaktisch schlüssigen diatonischen Konzertina, gebar das Dilemma aller Bandonionspieler, die den Klang des Instrumentes doch nicht seine Tonanordnung lieben. Die Verbreitung dieser „chaotischen“ Tastatur ist Verdienst der Bandschen Dynastie und damit gleichsam Fanal für den verlorenen hundertjährigen Beliebtheitswettbewerb ‚Akkordeon versus Bandonion‘. Kurz gesagt: „Bands Geschäftsgebaren hat’s vergeigt“. Die späteren Versuche eine aufgeräumte logische Tastatur zu etablieren, scheiterterten alle an den massenhaften Verkäufen der „unsäglichen Tastatur“ (Zitat Oriwohl) des Rheinischen und Einheitsbandonions. Wieder umlernen wollte keiner. Erst in der heutigen Zeit sind die Gleichtoninstrumente auf dem Vormarsch, vor allem für Spieler welche zuvor Akkordeon gelernt haben.
Die heute weitverbreitete spanische Schreibweise „Bandoneón“ (mit einem Akut auf dem zweiten „O“) entstand erstmals etwa 40 Jahre nach Bands Ableben. Um weltweite Exporterfolge zu erzielen, ist die Namensänderung aller Wahrscheinlichkeit nach, einvernehmlich mit den argentinischen Importeuren entsprungen. Bei Bässler/Sa. gibt es ein entsprechendes Firmenschild aus dem Jahr 1900. Der Duden hat beide Schreibweisen vermerkt <Bandonion> (1929 aufgenommen), <Bandoneon> (1934 aufgenommen). Gut und gerne zu merken: in Deutschland verkaufte Instrumente hießen „Bandonion“. Einmal Argentinien und zurück (Re-Importe) darf man „Bandoneón“ nennen. Heinrich Band und das Wort „Bandoneón“ haben keinerlei Bezug.
Alleinstellungsmerkmal
Dass sich das exotische Instrument wieder weltweiter Beliebheit erfreut, liegt an der seit hundert Jahren anhaltenden stoischen Manier der Argentinier, konsequent einer bestimmten Klangdisposition den Vorzug zu geben. Die Identifikations-Merkmale des Bandoneóntypes II/II gegenüber anderen Harmonikas:
- ) der 2chörig oktavierte Ton im Diskant und Bass
- ) schwebefreie Stimmung
- ) Töne sind durch die Balgführung modulierbar
- ) Mensur lässt große Tonsprünge zu
- ) Kontrapunktische Spielweise möglich
- ) chromatische Harmonik/ Akkorde/ Polychorde/ Bassläufe durch Einzeltöne möglich
Die Diaspora

Im Ursprungsland spielt das Instrument, so wie es einst gedacht war, ein eher tristes Dasein. Uhlig wollte mit seiner „Concertina“ ein Instrument, was nach langem Arbeitstag „einfach“ zu spielen war. Das gelang bis 1935 hervorragend in den deutschen Konzertina- & Bandonionvereinen. Es wurde in der alten „Kernlage“ gespielt, egal ob Konzertina oder Bandonion, das ist heutzutage noch am „Abgriff“ in den Altinstrumenten nachweisbar.
Von Sydney, Taipeh, Seoul, Tokio, Peking nach Eurasisch Russland, Finnland, dem Baltikum, Polen, Schweden, Norwegen, Dänemark, Belgien, Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, über Portugal mit großem Sprung nach Nordamerika, bis zu guter Letzt der heutigen Heimat des Instrumentes am Rio de la Plata, spielt das Bandoneón TANGO. Verfolgt diesen Weg mit den Bandoneón-Spielerinnen auf der ganzen Welt | Bandoneonistas |.
Mit ganz wenigen Ausnahmen wird das Bandonion noch außerhalb des Tangos für folkloristische Musik gespielt. So z.B. in Kaunas (Litauen) oder in Pomerode (Brasilien) und im Chamamé (Argentinien). In Deutschland gibt es nur eine handvoll Spieler, welche das Bandonion außerhalb des Tango bespielen. Lieder von Stephan Krawczyk, Klezmer von Andreas Rohde (Kusserow), Brachialromantik von Jürgen B. Wolff (Konzertina), Queerbeetfolkpop von Frank Deutscher (142), noch eine ganze Reihe Folkstanzmusiker und nicht zu vergessen die Erzgebirgsfolkloristen, denn von dort kommt es schließlich her.
– Sachsen –
Ursprung des Bandoneóns
In dieser Rubrik werden aktuelle und beständige Aktivitäten rund um das Instrument seinen sächsischen Herstellern, Musikern und die mediale Begleitung in der örtlichen Presse veröffentlicht.
| Sachsen aktuell |
– Artikel –
Carla Algeri Heritage Museum
Maia – Portugal
Frauen für ein Museum
von Juan Carlos Tellechea, lunes, 5 de julio de 2021
veröffentlicht auf:
https://www.mundoclasico.com/articulo/35180/Museo-Patrimonial-Carla-Algeri-Mujeres-para-un-Museo
Artikel in deutsch.pdf
| Carla Algeri Heritage Museum |
2021
Text und Webseitenverantwortlicher Heiko Guter
(Bandonionspieler und Konstrukteur)

Seit 1984 spiele ich „Einheitsbandonion“ II/II, lernte es damals, aus purem Übermut, autodidaktisch als musikalischer Laie. Durch die „alte Kernlage“ war es möglich, die geläufigen Lieder und Tanzmusiken der Neo-Folklore-Bewegung der untergehenden DDR zu spielen. Jahre später befasste ich mich mit dem Quintenzirkel, den Sept-, verminderten & Majorakkorden und kann diese nunmehr „nach 5.000 Übungsstunden“ einmal im Instrument durchspielen.
Was wusste ich damals von Heinrich Band? Nichts. Ach, der hat den Namen gegeben. Klar, steckt ja drin: Band – Onion.
1985 lernte ich Ernst Birnstock in seiner Crimmitschauer Werkstatt kennen. So begann das Interesse an der Instrumentenhistorie. Es gab die ernsthafte Überlegung bei ihm in die Lehre zu gehen. Hatte dann aber schon das Gefühl der „brotlosen Kunst“ und studierte lieber weiter Maschinenbau.
Dann lernte ich Ende der Neunziger Jahre Herrn Oriwohl kennen. Dieser gewährte mir und einem Spielerkollegen in seiner Berliner Altbauwohnung eine „Audienz“. Oh, keine Möbel nur Instrumente und noch vor dem Guten-Tag-Sagen die Frage: „sagen Sie, spielen sie etwa dieses unsägliche wechseltönige Instrument? (ich) …äh, ja. (er) Warum tun sie das?“ Dann erhielt ich von ihm seine Publikation „Das Bandonion – ein Beitrag zur Musikgeschichte“. Darin zu schmökern war mir eine große Freude und ich bemerkte, dass Heinrich Band gar nicht der Erfinder des Bandonion sein kann, weil dieser über keinerlei konstruktive Kenntnisse verfügte.
Erst als „neulich“ Krefeld laut töste „es kommt tatsächlich von hier“ rührte sich in mir der Unmut über diese Selbstbekrönung. So begannen die hier publizierten Überlegungen, welche weder schlechte Laune noch Gram in sich tragen. Danke für den Anstoss, ich denke, jetzt wurde wesentlich mehr Recherche betrieben, als hätten die Krefelder stillgehalten.
Hiermit sollen diese als Diskussionsgrundlage, für einen milliardsten Teil der Menschheit dienen. Obwohl ich weiß, es wird den Weltenlauf nicht ändern und den heutigen Instrumentenbauern nicht viel nützen, junge Menschen für das Instrument BANDONION zu begeistern, so ist es doch wert, wieder Mal darüber gesprochen zu haben.
bei Fragen fragen…
herzlichste Kreuztongrüße ihr
Heinrich Conrad
Naunhof, Frühjahr 2021