Bertelsmann Lexikon 2003: „Bandoneon, eine Konzertina mit mehr als 88 Tönen, die der Krefelder Händler H. Band (*1821, †1860) seit etwa 1845 herstellen ließ.“

Concertina >> Bandonion >> Bandoneón

 

Das Bandonion*neón gehört zur Instrumentenfamilie der Harmonikas (Aerophone mit durchschlagender Metallzunge) und ist der Art nach eine „Konzertina“. Die Erfindung und der Abschluss der grundlegenden Entwicklung des Instrumentes ist zeitlich auf die erste Hälfte des 19. Jhd. belegt. Aus kleinteiliger Hand- und Heimarbeit wurde es durch Arbeitsteilung und dem technologischen Fortschritt im Maschinenbau möglich, in den sächsischen Manufakturen im Anfang des letzten Jahrhunderts große Stückzahlen herzustellen.

 

Die Namens-Annexion der ‚Concertina‘ (welche Band „Accordion“ nannte) zu ‚Bandonion‘ fand kurz vor dem Ableben von Heinrich Band um 1855 statt. Ab etwa 1870 findet gleichsam dem ‚Akkordeon‘ die neue Schreibweise ‚Bandoneon‘ zunehmend im Export Anwendung.

 

Das einst schrammelige Quetschkastl, das Bandonion, hat die sinfonischen Orchester als Soloinstrument erobert. Mehr und mehr sind es Solistinnen {Bandoneonistas} mit der ersten Stimme. Dabei beruft es sich nicht auf seine Tradition als Volksmusikinstrument, vielmehr ist es Kunstobjekt geworden. Und dies in mehrfacher Hinsicht, zum einen, die enorme Herausforderung an die Spieler aufgrund der undidaktischen [Tonanordnung] und zum anderen, an die {Instrumentenbauer und Restauratoren}, welche die spezifische Klangdisposition und Tonansprache aufrecht erhalten müssen.

 

Mit der Einstellung der Produktion 1964 in Sachsen bzw. 1971 in Hessen verlor das Instrument seine Bedeutung. Sowohl die Piano- als auch die Knopfakkordeons haben sich gegenüber der „verqueren“ Tastatur des Bandonions durchgesetzt. Der heutige weltweite Bestand setzt sich überwiegend aus ehemals von Deutschland nach Argentinien (30 bis 50 Tsd. bis etwa 1948) exportierten Instrumenten zusammen. 

 

Die Tastaturentwicklung fand stetig in einem Zeitraum von über hundert Jahren statt – von 10 bis zu 80 Tasten – von ein-, auf zwei-, drei-, vier- & mehrreihiger Anordnung. Auch der immer weitere Ausbau insbesondere der „rheinischen“ Tastatur zum 142tönigen Bandonion vollzog sich in den sächsischen Manufakturen und nicht in Krefelds „Wunderwerkstatt“.

 

Neue Bandoneons werden wieder hauptsächlich in {Sachsen} produziert (je nach Auftragslage, etwa 100 Stück jährlich) aber auch in Argentinien, Belgien, der Schweiz und Italien. Die Stimmplatten für den Bandoneonbau weltweit, kommen überwiegend aus der Tschechischen Manufaktur [„Harmonikas“] und werden unter Einsatz moderner CNC-Technik hergestellt.

Rheinland oder Sachsen?

 

Der Ursprung des Bandonions liegt in Sachsen zwischen Chemnitz und Carlsfeld. Es gibt nicht den „einen“ Erfinder, das Bandonion ist ein Stufenwerk von Instrumentenbauern wie Buschmann, Demian, Uhlig, Lange, Zimmermann, Reichel, Seifert, Bäßler, ELA, Stark, Zademack, AA, Pegury und vielen ungenannten Instrumentenmachern & Konstrukteuren und Zulieferern für Hölzer, Beschläge, Papiere, Leder, Leime, Elstermuschel usw.

 

Die Grundidee liegt bei Buschmann und Uhlig gleichermaßen. Antrieb der Fortentwicklung des Instrumentes war und ist bis zum heutigen Tag, den Interventionen und Anforderungen der Musiker nachzukommen. Die „erfinderischen“ Leistungen als auch die immerwährende Investition in die Produktion und Verbesserung von Bandonions fanden in Sachsen statt. Als „ultima ratio“ der Klangwirkung und klingendes Herz gelten die Stimmplatten der {Geraer Firma DIX}.

 

Die Erfindung eines Instrumentes [Heinrich Band * 4.4.1821 in Krefeld; † 2.12.1860] zuzuschreiben, ist aufgrund seines konstruktiven Vermögens und seiner technologischen Möglichkeiten irrelevant. Zeugen sind alle heutigen Bandoneonbaumeister und Restauratoren, die über fundiertes Know How verfügen.

 

Obwohl der Bertelsmann-Lexika-Eintrag den historischen Ereignissen schon recht nahe kommt, möchte ich folgendes Bemerken. Die Entwicklung des Instrumentes hätte auch ohne Band stattgefunden. Deshalb klingt es „gönnerhaft herablassend“, Band ließ „herstellen“. Es ist anders herum, für Band bauten sächsische Instrumentenhersteller extra Ausführungen

Heinrich Band der Namengeber?

 

Heinrich Band handelte wie andere auch, mit hochwertigen Instrumenten im Vollsortiment. Seinen Anzeigen und Katalogen zu entnehmen, bewarb er sächsische „Concertinas“ eher nebenbei. Dass er den Uhligschen Erstnamen „Accordion neuer Bauart“ noch bis 1855 verwendet, zeugt davon, dass Band dem Instrumenten-Urheber Recht und Respekt zollt.

 

Band selbst verkündet lediglich „durch eine neue Erfindung“ seien seine im Handel befindlichen Instrumente vervollkommnet.

 

Bands Witwe und ein Zigarrenhändler Namens Dupont übernahmen kurz nach seinem Ableben vorerst die Geschäfte und offerierten „Das BANDONION auch Concertina und Accordion“ genannt aus „eigener“ Fabrikation.

 

Bands Sohn Alfred Band der Etikettierer labelte ab 1882 die sächsischen Export-Instrumente mit seinem Namen und gab sich weiterhin als Fabrikant aus. Leider gibt es keine Aufzeichnungen oder Verträge zwischen Instrumentenfabrikanten und den Bands, aus denen die Handelsmodi, Einkaufspreise, Vertrags- & Verschwiegenheitspflichten zu entnehmen wären.

¿Qué pasa? ¿Estarás de acuerdo?

In Argentinien ist man sehr bemüht der Historie des „Santo Bandoneón“ auf den Grund zu gehen. Die Fakten tanzen mit den Mythen Tango. Deshalb fragen sie die Deutschen: „was ist los, werdet Ihr Euch einig?“

Spass an Geschichte

 

Man nehme eine Geige – stimmt das G> Gis, das D>Des, das A>Ais und das E>Es, zieht noch eine fünfte Saite auf und nennt das chaotische Instrument FIDELONION. Erfinder und Konstrukteur Herr Fidel. Es ist wie bei der [Erfindung der Glühbirne], jene welche sich mit fremden Federn schmücken, schreien am lautesten. Die Diskussionen und [die Deutungshoheit der Archivare] sind immerhin drollig, beruhen aber auf Mutmaßungen und entbehren jeglicher konstruktiver Fakten. Hier ein [typischer Krefelder Artikel] als gäbe es die sächsischen Instrumentenbaumeister der damaligen und heutigen Zeit nicht. Warum nur beugen die Krefelder die Geschichte mit sturen Wiederholungen und Wortklauberei?

 

Ja, ich weiß, Glaubenssätze lassen sich nicht wiederlegen, doch bestimmt kommt zur Kulturhauptstadt Chemnitz ein Krefelder Abgesandter und überbringt detailierte Konstruktionszeichnungen, Variantenvergleiche, Produktionsanweisungen samt Investitionsplan für Fabrikanlagen zum Bau eines Bandonions…

{<<< zur REVISION der Krefelder Erfinderdeutung hier entlang>>>}

Tango & Diaspora

{Tango & Bandoneón}

 

Heinrich & Jokubas in Kaunas 2024

Von Sydney, Taipeh, Seoul, Tokio, Peking nach Eurasisch Russland, Finnland, dem Baltikum, Polen, Schweden, Norwegen, Dänemark, Belgien, Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, über Portugal mit großem Sprung nach Nordamerika, bis zu guter Letzt der heutigen Heimat des Instrumentes am Rio de la Plata, spielt das Bandoneón TANGO. Verfolgt diesen Weg mit den Bandoneón-Spielerinnen auf der ganzen Welt {Bandoneonistas}. Zu bemerken gilt, dass diese Spieler und Spielerinnen, größtenteils Bandoneón-Re-Importe aus Argentinien spielen. Was die Argentinier veranlasste einen Exportstopp zu verhängen, um den „Ausverkaufs“ ihres Nationalinstrumentes abzuwenden.

 

Mit ganz wenigen Ausnahmen wird das Bandonion noch außerhalb des Tangos gespielt. Die ganz große Herausforderung liegt in Bachschen Fugen und andere Klassik im Kontrapunkt zu spielen. Für folkloristische Musik z.B. in Kaunas (Litauen) oder in Pomerode (Brasilien) und im Chamamé (Argentinien) ist der spielerische Anspruch nicht allzu hoch und kann noch Freude bereiten. In Deutschland gibt es nur eine Handvoll Spieler, welche das Bandonion für Liedbegleitung gebrauchen. Lieder von Stephan Krawczyk, Klezmer von Andreas Rohde (Kusserow), Brachialromantik von Jürgen B. Wolff (Konzertina), Querbeetfolkpop von Frank Deutscher (142). Dann gibt es noch eine ganze Reihe Folk- & Tanzmusiker, ein paar wenige Vereinsmusiker und nicht zu vergessen die Erzgebirgsfolkloristen, denn von dort kommt es schließlich her.

 

Also los geht es, mit einer amüsanten
Geschichte über
das Bandonion * neon * neón.
Ihr Heinrich Konrad

 

TANGOes

16te Bandoniontage 13.9.2025
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– Sachsen –
Ursprung des Bandoneóns

 

In dieser Rubrik werden aktuelle und beständige Aktivitäten rund um das Instrument seinen sächsischen Herstellern, Musikern und die mediale Begleitung in der örtlichen Presse veröffentlicht.

 

| Sachsen aktuell |


– Artikel –


Carla Algeri Heritage Museum
Maia – Portugal

 

Frauen für ein Museum
von Juan Carlos Tellechea, lunes, 5 de julio de 2021
veröffentlicht auf:

 

https://www.mundoclasico.com/articulo/35180/Museo-Patrimonial-Carla-Algeri-Mujeres-para-un-Museo

 

Artikel in deutsch.pdf
| Carla Algeri Heritage Museum |

2021

100 Jahre Astor Piazzolla
geboren 11. März 1921 in Mar del Plata;
gestorben 4. Juli 1992 in Buenos Aires

200 Jahre Heinrich Band 
geboren 4.4.1821 in Krefeld;
gestorben 2.12.1860 in Krefeld

110 Jahre Gründung der Bandonionfabrik AA

Text und Webseitenverantwortlicher Heiko Guter
(Bandonionspieler und Konstrukteur)

 

1985 – 38° Tanz-Picknick Hoywoi
Interview

Seit 1984 spiele ich „Einheitsbandonion“ II/II, lernte es damals, aus purem Übermut, autodidaktisch als musikalischer Laie. Durch die „alte Kernlage“ war es möglich, die geläufigen Lieder und Tanzmusiken der Neo-Folklore-Bewegung der untergehenden DDR zu spielen. Jahre später befasste ich mich mit dem Quintenzirkel, den Sept-, verminderten & Majorakkorden und kann diese nunmehr „nach 5.000 Übungsstunden“ einmal im Instrument durchspielen.

 

Was wusste ich damals von Heinrich Band? Nichts. Ach, der hat den Namen gegeben. Klar, steckt ja drin: Band – Onion.

 

1985 besuchte ich Ernst Birnstock in seiner Crimmitschauer Werkstatt. So begann das Interesse an der Instrumentenhistorie. Es gab die ernsthafte Überlegung bei ihm in die Lehre zu gehen. Hatte dann aber schon das Gefühl der „brotlosen Kunst“ und studierte lieber weiter Maschinenbau.

 

Dann lernte ich Ende der Neunziger Jahre Herrn Oriwohl kennen. Dieser gewährte mir und einem Spielerkollegen in seiner Berliner Altbauwohnung eine „Audienz“. Oh, keine Möbel nur Instrumente und noch vor dem Guten-Tag-Sagen die Frage: „sagen Sie, spielen sie etwa dieses unsägliche wechseltönige Instrument? (ich) …äh, ja. (er) Warum tun sie das?“ Dann erhielt ich von ihm seine Publikation {„Das Bandonion – ein Beitrag zur Musikgeschichte}. Darin zu schmökern war mir eine große Freude und ich bemerkte, dass Heinrich Band gar nicht der Erfinder des Bandonion sein kann, weil dieser über keinerlei konstruktive Kenntnisse verfügte.

 

Erst als „neulich“ Krefeld laut töste „es kommt tatsächlich von hier“ war ich erstaunt von der Selbstbekrönung und Geschichtsbeugung. So begannen die hier publizierten Überlegungen, welche weder schlechte Laune noch Gram in sich tragen. Danke für den Anstoss, ich denke, jetzt wurde wesentlich mehr Recherche betrieben, als hätten die Krefelder stillgehalten.

 

Hiermit sollen diese als Diskussionsgrundlage, für einen milliardsten Teil der Menschheit dienen. Obwohl ich weiß, es wird den Weltenlauf nicht ändern und den heutigen Instrumentenbauern nicht viel nützen, junge Menschen für das Instrument BANDONION zu begeistern, so ist es doch wert, wieder Mal darüber gesprochen zu haben.

 

bei Fragen fragen…
herzlichste Kreuztongrüße ihr
Heinrich Conrad

 

Naunhof, Frühjahr 2021