Das Bandonion

Das BANDONION*EÒN – Genealogie

 Erfindung des wechseltönigen Instrumentes | Erweiterung | Namensgebung | Einvernahme | Weiterentwicklungen | Produktionseinstellung

Ein VORWORT:

Die Geschichte des Bandonion*eóns wird mit zweifelsfreien Halbwissen und einer Melange aus Indizien und haltlosen Behauptungen auch im Zeitalter der Desinformation Mythos bleiben. Um das Instrument vor dem Untergang zu bewahren, lautet mein persönliches Credo 
<keine Zeit mehr verlieren – spielen/spielen/spielen>

 

[Wer Lust hat auf mehr „heitere Historie des Bandonions“, liest bitte die Rezension zum Buch „H. Band – Bandoneon“ mit einem Nachwort von Carla Algeri, der UNESCO-Beauftragten zum Erhalt des Tango resp. Bandoneóns]

[1] Tonverfolgung „Adiós Nonino“ (midi)

 

Das einst schrammelige Quetschkastl, das Bandonion, hat die sinfonischen Orchester als Soloinstrument erobert. Mehr und mehr sind es Solistinnen mit der ersten Stimme. Dabei beruft es sich nicht auf seine Tradition als Volksmusikinstrument, vielmehr ist es Kunstobjekt geworden. Und dies in mehrfacher Hinsicht, zum einen, die enorme Herausforderung an die Spieler aufgrund der undidaktischen Tonanordnung>> [1] und zum anderen, an die {Instrumentenbauer und Restauratoren}, welche die spezifische Klangdisposition und Tonansprache und die klangliche Abgrenzung zum Akkordeon aufrecht erhalten müssen.

In den Duden wird das Wort “Bandonion” erstmals 1929 aufgenommen, die spanische Schreibweise “Bandoneón” dann 1934 (allerdings ohne Akut). Der Ursprung des Bandonions liegt zwischen Chemnitz und Carlsfeld und ist eigentlich eine Konzertina mit „Bandscher Namensaneignung“. Die Erfindung bzw. Konstruktion Heinrich Band * 4. April1821 in Krefeld; † 2. Dezember1860 [2] zuzuschreiben ist nicht zutreffend und wird von gedruckter bzw. Online-Lexika (z.B. Wikipedia) falsch beschrieben. Zeugen sind alle heutigen Bandoneonbaumeister und Restauratoren, die über fundiertes Know How verfügen. In Argentinien ist man bemüht die Historie des „Santo Bandoneón“ zu hinterfragen. Die Fakten tanzen mit den Mythen Tango. Deshalb fragen sie die Deutschen: ¿Qué pasa? ¿Estarás de acuerdo? (was ist los, werdet Ihr Euch einig?)

Man nehme eine Geige – stimmt das G> Gis, das D>Des, das A>Ais und das E>Es, zieht noch eine fünfte Saite auf mit Ces und nennt das chaotische Instrument FIDELONION. Erfinder und Konstrukteur Herr Fidel. Es ist wie bei der Erfindung der Glühbirne [3], jene welche sich mit fremden Federn schmücken, schreien am lautesten. Die Diskussion und die Deutungshoheit der Archivare [4] ist immerhin amüsant, beruhen aber auf Mutmaßungen und entbehren konstruktiver Fakten. Hier ein typischer Krefelder Artikel [18] als gäbe es die sächsischen Instrumentenbaumeister der damaligen und heutigen Zeit nicht. Doch zurück zur Geschichte der Konzertina und seiner Nachfahren, den Bandonions, Symphonettas, Chromatiphone, Praktikals, Amaphone, Bandonikas, „Pegurions“, „Kusseronions“, „Birkonions“.

 

Der Anfang

„Bereits 1821 haben Anton Haeckel in Wien und Friedrich Buschmann in Deutschland unabhängig voneinander mundgeblasene Instrumente mit Stahlzungen erfunden. Buschmann hat dann 1822 dem Instrument einen Balg und eine Knopftastatur hinzugefügt und das Instrument „Handaeoline“ genannt. Einige Quellen bezweifeln die Geschichte von Buschmanns Erfindung, er ist aber auf jeden Fall 1828 mit einem Instrument dieses Namens auf Tournee gegangen und war damit wohl recht erfolgreich. 1829 trat Cyrill Demian auf den Plan und hat dem Bass eines ähnlichen Instrumentes, weitere Töne hinzugefügt (ganze Akkorde) und das entstandene Instrument unter dem Begriff „Accordion“ patentieren lassen.“ [Quelle: Uwe Gernert – Der „Tanzbär“ der Firma Zuleger aus Leipzig]

Quelle: www.concertina.com

Charles Eulenstein
„es ist faszinierend zu spekulieren, dass das erstaunliche Instrument des deutschstämmigen Maultrommelvirtuosen Charles Eulenstein eine, in England hergestellte Nachahmung darstellen könnte.
Es gab seit 1828/32 dokumentierte Verbindungen zwischen Wheatstone und Eulenstein, und es liegt nahe, dass dieses Instrument … im Juli/August 1834 … für ihn gebaut wurde. Wurde es … von Uhlig hergestellt? Oder könnte Eulenstein der wahre Erfinder gewesen sein?Eine einzigartige englisch-deutsche Konzertina mit zehn Tasten von Charles Eulenstein, Bath, 1835. Das Gehäuseschild trägt … die Jahreszahl „1835“.  Quelle: concertina.com [21]

 

Von der Concertina zum Bandonion

 

Quelle: bandonioninfo.de
Quelle [10]

Der Chemnitzer Klarinettist Carl Friedrich Uhlig (1789 -1874) [5] bewarb im Chemnitzer Anzeiger vom 19. Juli 1834 erstmals eine „neue Art von Akkordeon“. „Jede Seite hatte fünf Knöpfe, jeder Knopf zwei Töne.“ Es trägt alle „erfinderischen“ Merkmale des später von Heinrich Band namenadaptierten „Bandonions“: Bass- & Diskantkasten, dazwischen ein Balg, Knopf-Tasten, Stimmplatten, Hebelwerk, Schnellluftholtaste und die grundlegende Handhabung der Schlaufen. Die Idee der geterzten wechseltönigen Tonanordnung von Buschmanns Handaeoline liegt allen späteren diatonischen Harmonikainstrumenten zugrunde. Eine zweite und dritte Tastenreihe kam schon vor 1840 bald hinzu. Etwa zur gleichen Zeit kam die erste Schule, ebenso noch „Accordion“ [22] genannt, von Johann Gottlieb Höselbarth in Chemnitz heraus. Der Export nach England floriert. Es folgte 1846 ein englisches Tutor für „Twenty Keys & Ten Keys – German Concertina“ [23] . Irgendwann dazwischen muss also der Namenswechel stattgefunden haben.

Das Leipziger Tageblatt schrieb „…Anfang der 30er Jahre baute C.F. Uhlig in Chemnitz die erste viereckige Harmonika. Jede Seite hatte 5 Tasten, jede Taste 2 Töne… 1836 wurde das Instrument vervollkommnet, indem jeder Seite 5 weitere Tasten zugefügt wurden… Für dieses zweireihige Instrument wurden auch die ersten Schulen von mir herausgegeben…1840 fingen wir an, dreireihige mit 56 Tönen zu bauen, deren Stimmung G-, A- und E-Dur war..“ 

Quelle [10]

Uhligs Firma führte ab 1874 Friedrich Anton Lange (Schwiegersohn), weiter. Wiederum dessen Sohn, Friedrich Emil Lange, übernahm die Geschäfte 1892 in Chemnitz und zog in die Brückenstraße 24.

Der Carlsfelder Instrumentenbauer Carl Friedrich Zimmermann (1817 – 1898) [6] begann 1840 mit der Herstellung eigener Concertinas, welche er auch auf’s Beste spielen konnte. Vor allem hatte er sich vorgenommen größere Instrumente als Uhlig zu bauen und gründete 1847 eine Harmonikafabrik in Carlsfeld. Auf der ersten Weltausstellung/London 1851 [19] stellte er seine 88 und 108tönigen chromatisch oktavierbaren „Carlsfelder Concertinas“, in Vorwegnahme der von Band etablierten Tonanordnung vor. Unstrittig ist, die „Oktavstimmung“ Zimmermann zuzuschreiben (siehe Oktav-Patent >>). Parallel offerierte H. Band auch auf den Weltaustellungen seine gekaufte Ware, immer noch als „Accordion“. Zimmermann übergab 1864 die Firma seinem Werkmeister Ernst Louis Arnold und wanderte wie 32 Mill. andere Europäer [7] in die Staaten. 

 

Lieferkettengesetz, Fake-News und Verbrauchertäuschung

 

Es gleicht einem Krimi von Agatha Christie, je mehr ich mich in die Indizien reinarbeite, umso mehr wird Bands listiger Betrug offenbar. Ob es „tatsächlich“ Band war, die Konzertina, welche er aus Sachsen bezog, in ihrem Tonumfang zu erweitern, bleibt pure Krefelder Spekulation und Anmaßung. [8]

Aus welchen Indizien ziehen die Krefelder ihre Vermutung bzw. Behauptung, Heinrich Band hätte das Bandonion erfunden.

  1. das „wir“ in rechts stehender Anzeige (offenbar eine Mehrzahl von Personen, wer auch immer)
  2. es ist von „Instrumente mit neuer Construction in rundem und achteckigen Format“ die Rede
         (das kann der „entscheidende Tastaturentwurf“ nicht sein, denn Konzertina resp. Bandonion sind quadratisch)
  3. [Tatsachenbehauptungen] wie z.B. auf „Veranlassung von Band, vier (4) oder mehrere Tasten umzuverlegen“
        Die Quelle entstammt dem Leipziger Tageblatt – Johann David Wünsch äußert ein etwa 40 Jahre altes „Hörensagen“
  4. Witwe Band/Dupont-Anzeige 1861 „Original-Bandonions e i g n e r Fabrik“ (Anzeige u.l.)
  5. Dupont benennt das Bandonion wissentlich Concertina (Anzeige u.r.)
  6. Sohn Alfred Band benennt im Verkaufsprospekt seinen Vater „Erfinder & Konstrukteur“ und beruft sich gleichzeitig auf die Brockhaus Enzyklopädie 11. Auflage 1864. Die Fakenews nimmt ihren Lauf…


Konstruktive Veränderungen durch H. Band bzw. dessen Nachfolger sind nicht nachweisbar. Für die Behauptung „Tastaturentwurf auf Veranlassung durch Band“ ist die Quellenlage so schwach, dass keine einzigen Skizzen, Patente oder konstruktive Vorgaben in den Archiven zu finden sind. Heinrich Band bzw. Alfred Band/Dupont bauten nicht ein einziges Instrument. Auch der sogenannte „gebastelte Prototyp“ bleibt eine Annahme des Krefelder Stadtarchivars Hangebruch [4]. Die Namensgebung/ Umbenennung der Konzertina in Bandonion verliert sich in Spekulationen, die Ersterwähnung ist für 1855 belegt, ein Patent, auch später nicht, wurde nie angemeldet. Im „Bandonion“ blieb die diatonische (tonartgebunden G-D-A-E) Kernlage der Konzertinas (Ton 0 bis 13) bis heute erhalten, die neuen Töne wurden durch wen auch immer “drumherum” angeordnet oder teilweise umgestimmt siehe Faktencheck Norbert Seidel [9].  
Damit etablierte Band, durch seine massenhaften Verkäufe, die “verquere” Tastenlage, diese wurde später „Rheinische Tonlage“ genannt. 

 

Eine Verbrauchertäuschung liegt vor, weil „Heinr. Band & Comp.“ (später auch Band/Dupont und Sohn Alfred Band) als „Fabrikanten“ inserierten. Noch bis 1855 wurde Uhligs alter, sperriger und unkorrekter Produktname “Accordion” übernommen. Uhlig hatte diese Unzulänglichkeit mindestens vor 1846 in „CONCERTINA“ umbenannt, was zumindest Herrn Dupont dann doch bekannt war (Anzeige von 1863 >>). Aus kaufmännischer Sicht ist es verständlich, dass Band eine namentliche Abgrenzung zur Verkaufsförderung favorisierte. Und weil kein Markenschutz auf Concertina vorlag, gelang ihm der Coup, seine Namensänderung strategisch einzuführen. Und was einmal im „Brockhaus“ steht, bleibt „undifferenzierte“ Wahrheit und virale Fakenews. Heutzutage würde es Abmahnungen hageln, wenn fremdgefertigte Produkte einfach „umgelabelt“ werden. 

 

Auch der Sohn Bands Alfred Band labelte die in Waldheim durch Reichel, Bäßler oder Seifert produzierten Instrumente mit A.Band/Bandonionfabrik. War A.Band Teilhaber oder Investor dieser „Fabriken“? Mitnichten, hier ist Krefeld aufgefordert in den Gewerbearchiven zu gründeln, durch wen, wo und zu welchen sozialen Bedingungen die Bandonion-Produktion stattfand. Die Musikwissenschaftlerin Dr. Janine Krüger gibt in ihrem Buch „H.Band – Bandoneon“ aufschlussreiche Erkenntnisse auf den Seiten 125 ff.  [mit bester Kaufempfehlung]

Welch wohlwollende Interpretation dann auf Seite 127, Seiferts Bandonion mit dem von A.Band zu vergleichen. Immerhin mit dem Vermerk, dass diese sich„bis auf wenige Details gleichen“. (na holla aber auch)

Was wir durch Fr. Krügers „Waldheim-Recherche“ nunmehr wissen ist, dass Band durch Produktions-Aufträge an C.F. Reichel (Uhligs Stiefsohn) in Waldheim/Sa. Sträflingsarbeit bei der Produktion zu verantworten hat. Ob Reichel, trotz 200.000 Stk. gefertigter Harmonikas (u.a. auch Bandonions), unter Preisdruck seine Firma aufgab und nach Dresden ging, bleibt vorerst fraglich. Auch die Auswanderung Zimmermanns ist in diesem Zusammenhang vergleichbar.

 

Wieso kommt mir dabei das Lied der Leineweber in den Sinn?
Im düstern Auge keine Träne (Die schlesischen Weber) Heinrich Heine 1844 [12]
„Im düstern Auge keine Träne, sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch wir weben hinein den dreifachen Fluch. Wir weben, wir weben. Ein Fluch, dem Götzen, zu dem wir gebeten in Winterskälte und Hungersnöten wir …“

 

Weder Concertina noch Bandonion genannt – Anzeige Leipziger Tageblatt 1871

Meinung: Die gesellschaftlichen Umstände der 1848ziger Revolutions-Vor- & Folgejahre in Deutschland, hier im besonderen die Situation der Erzgebirgsregion, lassen vermuten warum Zimmermann auswanderte und seine Firma an Ernst. L. Arnold übergab. Da weder ab 1877 beim dt. Patentamt noch im Ausland eine Patentschrift zur Erfindung des „Bandonions“ hinterlegt wurde, bleibt die Urheberrechtsfrage offen. Hinzukommt, dass Band mit der „Namensaneignung“ in diesen wirren Jahren keine Rechtskonsequenzen zu befürchten hatte. 

Nicht überliefert ist, ob Band und seine Nachfolger als Unternehmer in die sächsische Produktion von Bandonions investierten oder lediglich knallharte Preisbindungen anstrebten. Ohne diese Information kann die Bandsche Dynastie getrost den Teppichhändlern der Schlesischen Weber gleichgesetzt werden. Denn vom Rheinland aus gesehen, war das sächsische und schlesische „Hinterland“ die perfekte Billiglohnregion. 

Für den Anspruch der Urheberschaft wird eine Vielzahl von Händler-Anzeigen herangezogen. Aber es gibt außer der Bandschen „Eigenwerbung“, weltweit keine Inserate von Instrumentenhändlern, welche gelabelte Bandonions aus „Bandscher Auftrags-Produktion“ offerieren.

 

Unzählige „entscheidende“ Tastaturlayouts – Instrumentenvielfalt

Karl Oriwohls „Bandonionsammlung“ illustriert von H. Mattheß/Dresden [10]

Die vielen Instrumentenmacher/Tüftler/Lehrer nach Band waren daran interessiert, musikdidaktische Spielsysteme zu entwickeln. Um im Wettlauf mit dem Akkordeon mitzuhalten, wurden mehrchörige registerschaltbare Ungetüme und praktikable Gleichtonstimmungen erdacht. Diese sollten jedesmal das “Non plus Ultra” darstellen. In Oriwohls „Beitrag zur Instrumentengeschichte“ sind weit über 100 Griff-Tabellen enthalten und zeigen damit, wie stark man daran interessiert war, das von Band angerichtete Chaos wieder aufzulösen. Zur leichteren Erlernbarkeit wurde die Systematik des Knopfakkordeons präferiert. Ob die folgend genannten Instrumententypen noch eine Überlebenschance haben bleibt offen, da nur noch ganz wenige Spieler, mit Ausnahme des Pegurisystems, sich an die Griffanordnungen heranwagen. Hier zu nennen wären {Hugo Stark}, {Micklitz/Zademack}, {Ernst Kusserow}{Walter Pörschmann}, {Heinz Schlegel}, {Charles Peguri}, {Olivier Manoury}, {Birken} und viele andere. Der logische Schluss ließe zu, deren Instrumente in “Pegurion” oder “Manouryon” usw. umzubenennen, wie es Band mit der Konzertina tat.

Bei den wechseltönigen Bandonions setzten sich zwei Tonsysteme durch, in Deutschland das {144 tönige Einheitsbandonion} (ab 1924), welches die letzte grundlegende Änderung der wechseltönigen Bandonions, außer tonalen Erweiterungen darstellt und das 142 tönige Bandoneón, in “Rheinischer Tonlage”, welches das „Überleben“ des Instrumententypes durch und im Tango sicherte. 

 

Bandonion & Konzertinavereine 

Die Beliebtheit des Instrumentes wird offenbar, wenn man bedenkt, dass es in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts in jeder größeren deutschen Stadt Bandonionvereine Sachbuch, Georg Schroll [11] gab. Allein in Leipzig wurden 63 Vereine registriert. Schätzungen zufolge waren etwa 14.000 Spieler in Vereinen organisiert, die Hausmusiker nicht gezählt. Auf Fotos und Bildpostkarten aus dieser Zeit, fällt eines auf – es spielen nur Männer. Und sie spielten vor allem Heimatlieder, Operette, Walzer, Schlager, Shanties, Märsche. Mit den nationalromantischen Liedern zogen die Männer in zwei Weltkriege. Viele der Spieler kamen nicht zurück, das Instrument ward den Witwen Vermächtnis. In der Zeit des Dritten Reiches wurden sukzessive die Vereine von der Reichsmusikkammer „gleichgeschaltet“ und 1935 der Bundesverband der Bandonionvereine aufgelöst. 

Die Vereinsbandonisten spielten gleichsam Konzertina und Bandonion innerhalb eines Vereines und dies in verschiedensten Tonanordnungen. Am Abgriff der Altinstrumente ist erkennbar, sie spielten überwiegend in der alten Kernlage der Konzertina (Töne 1 bis 13), dies können die Restauratoren bestätigen. Da bis heute, die historische wechseltönige diatonische Kernlage der „Zimmermannschen Konzertina“ sowohl im „Rheinischen“ als auch im „Einheitsbandonion“ enthalten ist, gebührt der Respekt dem Konzertinaerfinder C. F. Uhlig.

Santo Bandoneónes – die heiligen Bandonions 

Die Arnoldsche Ära beginnt mit der Übernahme der Zimmermannschen Produktion durch Ernst Louis Arnold 1864 in Carlsfeld und offeriert jahrzehntelang als Marke „A“. 1888 wird eine neue Produktionshalle eingerichtet. Noch spielt das Instrument im entstehenden Tango keine Rolle, noch immer nicht wird es „Bandoneon“ genannt. Doch im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts übernimmt es mehr und mehr die Klangidentifikation des Tango. Es kann seidenweich schrill sein, beherrscht klagendes Atmen – sentimentale Majorakkorde lassen die Lieder nie zu Ende gehen. Die gesellschaftlichen Zustände der gestrandeten Emigranten im brodelnden Kessel Buenos Aires brauchen diesen sehnsüchtigen Klang, der sich aus diesem Balg ziehen lässt. 1911 begründet Alfred Arnold neben der väterlichen Fabrik sein eigenes Unternehmen ebenfalls mit der Marke „A“ und wird erfolgreichster Exporteur der 142 II/II „Rheinischen“ bis zum Krieg 1939. Erst 1925 wird „ELA“ eingeführt und ab 1929 die Marke „AA“. Wir dürfen dankbar sein, dass die Argentinier in stoischer Manier an der Klangdisposition „oktav“ samt dem gegebenen Griffsystem festgehalten haben. Wie und durch wen die Tastaturentwicklung letztendlich stattgefunden hat, bleibt verborgen. In den besten Zeiten wurden bis 600 Exemplare im Monat gebaut. Die Geraer DIX-Tonzungen sind das eigentlich „heilige“ des Instrumentes. Der Kohlenstoffanteil und die Ansprache der Tonzungen ist neben der Balgarbeit absolut klangprägend. 

Es wurde in verschiedenen „Schönheitsmerkmalen“ bzw. Dekors geliefert: in schwarz und Natur (holzfarben), mit halber und mit voller [Nacarado] Perlmutteinlage. Importeure in Buenos Aires hießen Emilio Pitzer, Luis Mariani, Sharp und Veltren und versahen ihre Firmenstempel im Gehäusekasten oft mit Datum, so dass man heute noch sehen kann, wer wann das Instrument verkaufte. Diese Exportinstrumente hießen bei ELA  „Cardenal“, „America“, „Echo“, „Tango“ und bei AA „Premier“ und „Campo“. Hier schöne Zusammenstellung vom Restaurator Carsten Heveling/Wuppertal [17]. Auch Hohner und das Versandhaus Herold & Meinel exportierten unter ihrem Label Instrumente von ELA, AA und ungenannten Herstellern mit Eigennamen. Im Exportbereich hießen die Bandonions schon vom Hersteller her „Bandoneón“. Diese Schreibweise wurde für in Deutschland verkaufte Instrumente nie angewendet.

Ausklang

Quelle [19]

Mit der Enteignung der Arnoldschen Bandonionfabrik AA in Carlsfeld 1948 verschwanden die Konstruktionsunterlagen und mit ihnen der Geist & das Know How des Bandonionbaus. Die ehemaligen „Blosbalgnbauer“, nunmehr im VEB Bandonionfabrik vorm. Alfred Arnold, wussten in etwa noch “wos mer ner duhn misse” (was zu tun sei), um ein Bandonion zu fertigen, aber Materialbeschaffungsnot und geringe Nachfrage ließen die Produktion letztendlich 1964 unrentabel werden. Schon seit 1930 war Arno Arnold alleiniger Geschaftsführer der AA Produktion in Carlsfeld. Er gründete nach der Enteignung im hessischen Obertshausen 1949 eine neue Bandonionproduktion [20], welche erst 1971 eingestellt wurde. Die Ausführungsqualität dieser Arno-Arnold-Instrumente ist unbestritten, was Balg, Gehäuse, Lagerung, Dämpfung etc. betrifft. Der mangelnde Verkaufserfolg lässt sich auf den Einsatz von Akkordeon-Stimmen und das typische 50er-Jahre-Finish zurückführen. Ein kulturelles Erbe des Abendlandes schien erloschen. Das über hundert Jahre währende Wettrennen Bandonion kontra Akkordeon endete mit einem guten zweiten Platz für das Bandonion mit Produktionseinstellung.

Bandoneonbau heute

[Übersicht Instrumentenmacher und Restauratoren hier.]

Die Wiederbelebung des Instrumentenbaus gelang in Westberlin in den 1980er Jahren durch Klaus Gutjahr [12] und nach der „Wende“ in Klingenthal durch Uwe Hartenhauer (heute Stefan Fuhrig) [13]. Sein Geselle Robert Wallschläger [14] machte seinen „Handzuginstrumentenmachermeister“ und baut und restauriert Bandonions in Carlsfeld. Als weiteren großartigen Instrumentenmacher möchte ich noch Ralf Skala [15] benennen, der für die „Bandonion & Concertinafabrik Klingenthal GmbH“ [16] arbeitet und für Konstruktion und Klangqualität der Instrumente verantwortlich zeichnet. In Argentinien bauen Oscar Fischer, Toscano und Estol kleine Serien. Harry Geuns [21] in Belgien restauriert und baut Hybridbandoneons. Weitere Instrumentenmacher gibt es in der Schweiz und in Italien (siehe Übersicht)

 

 

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Linknachweise:

 

  1. https://www.youtube.com/Tonverfolgung „Adiós Noninio
  2. https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-band/DE-2086/lido/57c572d176c723.71235931 (abgerufen am 08.03.2021)
  3. https://www.brunel.net/de-de/blog/technik/erfinder-der-gluehbirne
  4. Tango-Quetsche-aus-dem-Rheinland.html
  5. https://carl-friedrich-uhlig.de/ueber-carl-friedrich-uhlig/carl-friedrich-uhlig-1789-1874/biografie/
  6. https://www.bandonionverein-carlsfeld.de/das-bandonion/geschichte
  7. https://www.iwkoeln.de/fileadmin/publikationen/2016/280269/IW_PP_2016-7_Migration.pdf
  8. https://rp-online.de/nrw/staedte/krefeld/krefeld-neues-buch-zum-bandoneon-und-heinrich-band_aid-51200053
  9. https://bandoneón.com/faktencheck/
  10. Bilddokumentation der Sammlung Oriwohl/Bln. durch H. Mattheß/DD
  11. http://info-netz-musik.bplaced.net/?p=16941   >>>  https://blattfuchs.de/produkt-kategorie/print-produkte/sachbuecher/bandonionvereine/
  12. https://www.klausgutjahr.de/
  13. https://www.bandoneon-hartenhauer.de/
  14. http://www.hzi-carlsfeld.de
  15. https://www.hzi-skala.de/
  16. https://bandonionfabrik.de/
  17. https://bando-bando.de/verschiedenes/modelle.html
  18. https://www.nmz.de/politik-betrieb/musikwirtschaft/bergmannsklavier-und-seele-des-tango-bandoneon-erfinder-heinrich
  19. https://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/fachinfo/www/kunst/digilit/weltausstellungen/1851_London.html
  20. https://www.arno-arnold.de/de/%C3%BCber-uns/historie
  21. https://bandoneon-maker.com/

 

Weitere Links zur Historie:

 

  1. https://bando-bando.de/verschiedenes/historisches.html  [Instrumentenhersteller]
  2. https://www.bandonionverein-carlsfeld.de/index.php/das-bandonion/geschichte 
  3. https://www.bandomecum.com.ar/bandoneon-desde-un-squeezebox/
  4. https://bandonioninfo.de/de/antworten.htm
  5. https://escuelatangoba.com/marcelosolis/history-of-tango-part-5/ 
  6. https://www.bandoneonist.ch

…und was sagt der Meister dazu?