1818 Häckl/Wien: Physharmonika (harmoniumartig)
1824 Anton Reinlein/Wien: Privileg <Verbesserung der Harmonika auf Chinesische Art>
1827 Christian Messner, Begründer der Trossinger Mundharmonikaproduktion
1828 ? C.F.L. Buschmann/Thür>HH: „Hand-Aeoline“
1829 Demian & Söhne/Wien Patent „Accordion“
1829 Wheatstone/London: „Symphonium“
1829 Gebrüder Glier/Klingenthal – Beginn der Zungeninstrumentenfertigung
1833 erste nachweisbare „Wheatstone-Concertina“
1834 Carl Friedrich Uhlig/Chemnitz (1790-1874) veröffentlicht sein „Accordion neuer Art“ (Harmonika)
1835 Eulenstein Concertina (Das unbekannte Urinstrument?)
1836 Uhlig – Concertina zweireihig
1840 Uhlig – Concertina dreireihig
1844 Wheatstone/London Patent auf gleichtönige chromatische „English Concertina“
1846 erscheint in England für 10 & 20 tönige „German Concertina“ ein Tutor
1847 C.F. Uhlig beliefert nach Leipziger Messepräsentationen Instrumentenhandlungen im ganzen deutschsprachigen Raum u.a. Heinrich Band in Crefeld
1847 C.F. Zimmermann/Carlsfeld Firmengründung einer Harmonikafabrik, ebenfalls Lieferungen ins Rheinland
1850 C. F. Reichel (Stiefsohn aus zweite Ehe Uhligs) gründet in Chemnitz seine „Accordion-Fabrik“, daraufhin verkündet H. Band im Dez. „eine neue Erfindung“
1851 Zimmermann stellt in London (1. Weltausstellung) seine chromatische Harmonika unter dem Namen „Concertina“ aus
1854 Industrie-Ausstellung München, Aussteller: Uhlig, Reichel, Bäßler, Zimmermann
1856 Der Krefelder Händler Schmitz erläutert Zimmermannsche Concertinas mit: „wohl auch Bandonions genannt“
1856 Reichel verlegt seine Produktion nach Waldheim/Sa. und beschäftigt seit 1854 Sträflinge
1857 Heinrich Band benennt in Sachsen gekaufte Konzertinas erstmals „Bandonions“ aus eigner Fabrikation
1860 H. Band verstirbt, seine Witwe der Zigarrenhändler Dupont übernehmen den Musikinstrumentenhandel
1864 Carlsfeld – Übernahme der Zimmermannschen Fabrik durch Ernst Louis Arnold – (Marke A ab 1925 ELA)
1870 Accordion wird Akkordeon – „eon-Endung“ findet auch auf das Bandonion Anwendung
1874 Chemnitz – Erster Harmonikaverein Deutschlands
1878 erstmalig „Bandoneon“ in Lexikaeintrag
ab 1900 viele neue Tastaturentwürfe vom Chromatiphon bis hin zum gleichtönig temperierten Kusserow-Bandonion (1920)
1911 Carlsfeld – Gründung Fa. Alfred Arnold (ab 1929 AA)
1914 das Bandonion wird in Argentinien zum Bandoneón (erstes nachweisbares Inserat)
1924 Konzil erklärt das 144tönige Einheitsbandonion und die 128tönige Einheitskonzertina zum Tastaturstandard
1925 Charles Peguri tauscht die Stimmplatten des 142rheinischen gegen Gleichtonplatten aus – belässt Regierwerk
1932 Emil Probst/Schweiz – „Handharmonium“ gleichtönig logisch
ab 1933 sukzessive Gleichschaltung und Auflösung des dt. Bandonionverbands durch die Reichsmusikkammer
ab 1945 Enteignung der Harmonikafirmen und Eingliederung in die Musikkombinate
1953 Heinz Schlegel/Leipzig gleichtöniges „Standard-Bandonion“ (unlogisch) und läßt bei ELA (Staatsbetrieb) bauen
1964 Einstellung der verstaatlichten ELA-Produktion in Sachsen
1971 Einstellung der Bandonion-Produktion Arno Arnold in Hessen
1976 Klaus Gutjahr/Berlin baut mit Orgelbaumeister Werner Baumgartner sein erstes Bandoneon
bis 1990 Gerhard Birnstock Crimmitschau/Sa. baute noch bis zur „Wende“ z.T. aus Altbeständen Konzertinas und Bandonions
Wiederbelebung der Bandonionproduktion in Sachsen durch Harthenhauer in Klingenthal (1991), später Skala (2003 für Bandonionfabrik) & Wallschläger/Carlsfeld (2007)
Grundlegendes
- wechseltönig (auch bisonor) bedeutet nicht diatonisch, sondern im Aufzug/Zudruck unterschiedliche Töne
- gleichtönig bedeutet nicht chromatisch, sondern im Aufzug/Zudruck der gleiche Ton
- diatonisch bedeutet tonartgebunden (8tönige Oktave)
- chromatisch (farbige Diatonie) bezieht sich auf die 12 Halbtton-Schritte der Oktave (also wie Klavier)
- Clavis (latein) „Schlüssel“ im mhd. gleichlautend „Taste“ (Clavis>>Klavier)
- Bandanino – verworfener Namensentwurf?
- Bandonium – evtl. für den französischen Markt als Patentmarke vorgesehen? Später in D vom „Hörensagen“ verwendet.
- Bandonion ab 1855 nachweisbar und 1857 von Band selbst veröffentlicht
- Bandoneon sukzessive und parallel ab ca. 1870
- Bandoneón & Bandoneones nur in Übersee (Lateinamerika)
Der Anfang
Harmonika-Instrumente sind „Unterbrechungs-Aerophone“. Das Prinzip ist in der [chinesischen Sheng] seit etwa 3000 Jahren bekannt.
„Bereits 1821 haben Anton Haeckel in Wien und Friedrich Buschmann in Deutschland unabhängig voneinander mundgeblasene Instrumente mit Stahlzungen erfunden. Buschmann hat 1822 dem Instrument Balg und Knopftastatur hinzugefügt und das Instrument „Handaeoline“ genannt. Einige Quellen bezweifeln die Geschichte von Buschmanns Erfindung, er ist aber 1828 mit einem Instrument dieses Namens auf Tournee gegangen. 1829 trat Cyrill Demian auf den Plan und hat dem Bass eines ähnlichen Instrumentes, weitere Töne hinzugefügt (ganze Akkorde) und das entstandene Instrument unter dem Begriff „Accordion“ patentieren lassen.“ [Quelle: Uwe Gernert – Der „Tanzbär“ der Firma Zuleger aus Leipzig]

Charles Eulenstein
„es ist faszinierend zu spekulieren, dass das erstaunliche Instrument des deutschstämmigen Maultrommelvirtuosen Charles Eulenstein eine Nachahmung darstellen könnte. Es gab seit 1828/32 dokumentierte Verbindungen zwischen Wheatstone und Eulenstein, und es liegt nahe, dass dieses Instrument … im Juli/August 1834 evtl. in Deutschland … für ihn gebaut wurde. Wurde es … von Uhlig hergestellt? Oder könnte Eulenstein der wahre Erfinder gewesen sein? … Eine einzigartige englisch-deutsche Konzertina mit zehn Tasten von Charles Eulenstein, Bath, das Gehäuseschild trägt … die Jahreszahl „1835“. Quelle: concertina.com [21]
Die Concertina

Der Chemnitzer Klarinettist Carl Friedrich Uhlig (1789 -1874) [5] bewarb im Chemnitzer Anzeiger vom 19. Juli 1834 erstmals eine „neue Art von Accordion“. „Jede Seite hatte fünf Knöpfe, jeder Knopf zwei Töne.“ Es trägt alle „erfinderischen“ Merkmale des später von Heinrich Band namenadaptierten „Bandonions“: Bass- & Diskantkasten, dazwischen ein Balg, Knopf-Tasten, Stimmplatten, Hebelwerk, Schnellluftholtaste und die grundlegende Handhabung der Schlaufen. Die Idee der geterzten wechseltönigen Tonanordnung von Buschmanns Handaeoline liegt allen späteren diatonischen Harmonikainstrumenten zugrunde. Eine zweite und dritte Tastenreihe kam schon vor 1840 bald hinzu. Etwa zur gleichen Zeit kam die erste Schule, ebenso noch „Accordion“ [22] genannt, von Johann Gottlieb Höselbarth in Chemnitz heraus. Der Export nach England floriert. Es folgte 1846 ein englisches Tutor für „Twenty Keys & Ten Keys – German Concertina“ [23] . Irgendwann dazwischen muss also der Namenswechel stattgefunden haben.
Das Leipziger Tageblatt schrieb „…Anfang der 30er Jahre baute C.F. Uhlig in Chemnitz die erste viereckige Harmonika. Jede Seite hatte 5 Tasten, jede Taste 2 Töne… 1836 wurde das Instrument vervollkommnet, indem jeder Seite 5 weitere Tasten zugefügt wurden… Für dieses zweireihige Instrument wurden auch die ersten Schulen von mir herausgegeben…1840 fingen wir an, dreireihige mit 56 Tönen zu bauen, deren Stimmung G-, A- und E-Dur war..“

Uhligs Firma führte ab 1874 Friedrich Anton Lange (Schwiegersohn), weiter. Wiederum dessen Sohn, Friedrich Emil Lange, übernahm die Geschäfte 1892 in Chemnitz und zog in die Brückenstraße 24.
Der Carlsfelder Instrumentenbauer Carl Friedrich Zimmermann (1817 – 1898) [6] begann 1840 mit der Herstellung eigener Concertinas, welche er auch auf’s Beste spielen konnte. Vor allem hatte er sich vorgenommen größere Instrumente als Uhlig zu bauen und gründete 1847 eine Harmonikafabrik in Carlsfeld. Auf der ersten Weltausstellung/London 1851 [19] stellte er seine 88 und 108tönigen chromatisch oktavierbaren „Carlsfelder Concertinas“, in Vorwegnahme der von Band etablierten Tonanordnung vor. Eine patentierte zu- und abschaltbare Oktavstimmung ist als Oktav-Patent auf Zimmermann registriert. Zimmermann übergab 1864 die Firma seinem Werkmeister Ernst Louis Arnold und wanderte wie 32 Mill. andere Europäer [7] in die Staaten.
Die noch heute lebendige [Chemnitzer Konzertina Star-Community] ist eine andere Konzertinageschichte, welche im Link verfolgt werden kann.
Die Namens-Annexion
In Insiderkreisen (Freunde der Familie) taucht der Name schon 1855 auf. Heinrich Band veröffentlicht erstmals 1857 die Eigen-Marke „BANDONION“. Nach Dafürhalten von Frau Dr. Janine Krüger etikettiert Band in seiner Werkstatt, die in Sachsen gefertigten und von dort gelieferten Instrumente. Diese hießen schon längere Zeit „CONCERTINA“.
Das Lieferkettengesetz, Fake-News und Verbrauchertäuschung
Es gleicht einem Krimi von Agatha Christie, je mehr ich mich in die Indizien reinarbeite, umso mehr wird Bands listiger Betrug offenbar. Ob es „tatsächlich“ Band war, die Konzertina, welche er aus Sachsen bezog, in ihrem Tonumfang zu erweitern, bleibt pure Krefelder Spekulation und Anmaßung. [8]
Aus welchen Indizien ziehen die Krefelder ihre Vermutung bzw. Behauptung, Heinrich Band hätte das „Bandonion“ erfunden.
- das „haben wir“ in rechts stehender Anzeige (wer auch immer)
- es ist von „Instrumente mit neuer Construction in rundem und achteckigen Format“ die Rede
(das sind die von Reichel offerierten Instrumente und kann nicht der „entscheidende Tastaturentwurf“ sein, „Konstruktion“ bezieht sich auf die Form nicht auf die Tastatur) - [Tatsachenbehauptungen] wie z.B. auf „Veranlassung von Band, mehrere Tasten umzuverlegen“ (Die Quelle entstammt dem Leipziger Tageblatt – Johann David Wünsch protokolliert ein etwa 40 Jahre altes „Hörensagen“; die „Veranlassung“ ist nirgends belegt)
- Witwe Band/Dupont-Anzeige 1861 „Original-Bandonions e i g n e r Fabrik“ (Anzeige u.l.) (keine Fabrikation im Rheinland zu verzeichnen)
- Dupont benennt das Bandonion wissentlich auch Concertina (Anzeige u.r.) „Band sei es 1845 gelungen ein Instrument herzustellen“ (H. Band hat kein Instrument hergestellt)
- Sohn Alfred Band benennt im Verkaufsprospekt seinen Vater „Erfinder & Konstrukteur“ und beruft sich gleichzeitig auf die Brockhaus Enzyklopädie 11. Auflage 1864. Die Fakenews nimmt ihren Lauf…
Konstruktive Veränderungen durch H. Band bzw. dessen Nachfolger sind nicht nachweisbar. Für die Behauptung „Tastaturentwurf auf Veranlassung durch Band“ ist die Quellenlage so schwach, dass keine einzigen Skizzen, Patente oder konstruktive Vorgaben in den Archiven zu finden sind. Heinrich Band bzw. Alfred Band/Dupont bauten nicht ein einziges Instrument. Auch der sogenannte „gebastelte Prototyp“ bleibt eine Annahme des Krefelder Stadtarchivars Hangebruch (ein Mann mit belastbarem Humor) [4]. Die Namensgebung/ Umbenennung der Konzertina in Bandonion verliert sich in Spekulationen, die Ersterwähnung ist für 1855 belegt, ein Patent, auch später nicht, wurde nie angemeldet. Im „Bandonion“ blieb die diatonische (tonartgebunden G-D-A-E) Kernlage der Konzertinas (Ton 0 bis 13) bis heute erhalten, die neuen Töne wurden, durch die sächsischen Instrumentenbauer, “drumherum” angeordnet oder teilweise umgestimmt siehe Faktencheck Norbert Seidel [9]. Damit etablierte Band, durch seine massenhaften Verkäufe, die “verquere” Tastenlage, diese wurde später „Rheinische Tonlage“ genannt.
Eine Verbrauchertäuschung liegt vor, weil „Heinr. Band & Comp.“ (später auch Band/Dupont und Sohn Alfred Band) als „Fabrikanten“ inserierten. Noch bis 1855 wurde Uhligs alter, sperriger und unkorrekter Produktname “Accordion” übernommen. Seit 1846 ist in England die „German CONCERTINA“ benannt, was zumindest Herrn Dupont dann doch bekannt war (Anzeige von 1863 >>) und wusste, dass er mit Concertinas handelt. Aus kaufmännischer Sicht ist es verständlich, dass die Bands eine namentliche Abgrenzung zur Verkaufsförderung favorisierten. Und weil kein Markenschutz auf Concertina vorlag, gelang ihnen der Coup, eine Namensänderung strategisch einzuführen. Und was einmal im „Brockhaus“ steht, suggeriert „verallgemeinerte“ Wahrheit und mutiert zu viraler Fake-News. Darauf bezieht sich Bands Sohn Alfred „mein Vater der Erfinder“.
Olaf Aasland Norwegen hat folgende Interpretation gefunden: [„FAKE BANDONION – 76 Tone Chemnitzer Concertina presented as Bandonion. Maker unknown. Heinrich bands branding was so successful that other makers used the name «Bandonion» also on other types of Concertinas.“]
Alfred Band labelte die in Sachsen produzierten Instrumente die nächsten Jahrzehnte mit „A.Band/Bandonion-Fabrik“. Was werden das für Knebelverträge gewesen sein, dass sich die eigentlichen Produzenten darauf einließen, ihre Namen zu verschweigen? War A. Band Teilhaber oder Investor einer dieser „Fabriken“? Mitnichten, hier ist Krefeld aufgefordert in den Gewerbearchiven zu gründeln, durch wen, wo und zu welchen sozialen Bedingungen die Bandonion-Produktion stattfand.
Die Musikwissenschaftlerin Dr. Janine Krüger gibt in ihrem Buch „H.Band – Bandoneon“ aufschlussreiche Erkenntnisse auf den Seiten 125 ff. [mit bester Kaufempfehlung „H.Band – Bandoneon“]. Welch „erstaunliche“ Interpretation auf Seite 127, Seiferts Bandonion im Vergleich mit dem von A.Band, dass sich diese: „bis auf wenige Details gleichen“.
Was wir durch Fr. Krügers „Waldheim-Recherche“ nunmehr wissen ist, dass Band durch Produktions-Aufträge an C.F. Reichel (Uhligs Stiefsohn) in Waldheim/Sa. Sträflingsarbeit bei der Produktion zu verantworten hat. Ob Reichel, trotz 200.000 Stk. gefertigter Harmonikas (u.a. auch Bandonions), unter Preisdruck seine Firma aufgab und nach Dresden ging, bleibt vorerst fraglich. Und vielleicht hat sich Zimmermann mit seiner Ausreise dem Preiskampf entzogen oder warum verlässt man das schöne Erzgebirge und macht sich mit 47 Jahren auf in den „wilden Westen“?
MEINUNG
Wieso kommt mir bei all dem das Lied der Leineweber in den Sinn?
Im düstern Auge keine Träne (Die schlesischen Weber) Heinrich Heine 1844 [12]
„Im düstern Auge keine Träne, sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch wir weben hinein den dreifachen Fluch. Wir weben, wir weben. Ein Fluch, dem Götzen, zu dem wir gebeten in Winterskälte und Hungersnöten wir …“
………………………………………………

Meinung: Die gesellschaftlichen Umstände der 1848ziger Revolutions-Vor- & Folgejahre in Deutschland, hier im besonderen die Situation der Erzgebirgsregion, lassen vermuten warum Zimmermann auswanderte und seine Firma an Ernst. L. Arnold übergab. Da weder ab 1877 beim dt. Patentamt noch im Ausland eine Patentschrift zur Erfindung des „Bandonions“ hinterlegt wurde, bleibt die Urheberrechtsfrage offen. Hinzukommt, dass die Bands mit der „Namensaneignung“ in diesen wirren Jahren keine Rechtskonsequenzen zu befürchten hatten.
Nicht überliefert ist, ob Band und seine Nachfolger als Unternehmer in die sächsische Produktion von Bandonions investierten oder lediglich knallharte Preisbindungen anstrebten. Ohne diese Information kann die Bandsche Dynastie getrost den Teppichhändlern der Schlesischen Weber gleichgesetzt werden. Denn vom Rheinland aus gesehen, war das sächsische und schlesische „Hinterland“ die perfekte Billiglohnregion.
Für den Anspruch der Urheberschaft wird eine Vielzahl von Händler-Anzeigen herangezogen. Aber es gibt außer der Bandschen „Eigenwerbung“, weltweit keine Inserate von Instrumentenhändlern, welche gelabelte Bandonions aus „Bandscher Auftrags-Produktion“ offerieren.
Unzählige „entscheidende“ Tastaturlayouts – Instrumentenvielfalt
Zitat Karl Oriwohl (1917-2011): „Sagen Sie, spielen Sie etwa diese unsägliche Tastatur – warum tun Sie das?“ (Bln. 2004)

Die vielen Instrumentenmacher/Tüftler/Lehrer nach Band waren daran interessiert, musikdidaktische Spielsysteme zu entwickeln. Um im Wettlauf mit dem Akkordeon mitzuhalten, wurden mehrchörige registerschaltbare Ungetüme und praktikable Gleichtonstimmungen erdacht. Diese sollten jedesmal das “Non plus Ultra” darstellen. In Oriwohls „Beitrag zur Instrumentengeschichte“ sind weit über 100 Griff-Tabellen enthalten und zeigen damit, wie stark man daran interessiert war, das von Band angerichtete Chaos wieder aufzulösen. Zur leichteren Erlernbarkeit wurde die Systematik des Knopfakkordeons präferiert. Ob die folgend genannten Instrumententypen noch eine Überlebenschance haben bleibt offen, da nur noch ganz wenige Spieler, mit Ausnahme des Pegurisystems, sich an die Griffanordnungen heranwagen. Hier zu nennen wären {Hugo Stark}, {Micklitz/Zademack}, {Ernst Kusserow}, {Walter Pörschmann}, {Heinz Schlegel}, {Charles Peguri}, {Olivier Manoury}, {Birken} und viele andere. Der logische Schluss ließe zu, deren Instrumente in “Pegurion” oder “Manouryon” usw. umzubenennen, wie es Band mit der Konzertina tat.
Bei den wechseltönigen Bandonions setzten sich zwei Tonsysteme durch. In Deutschland das {144 tönige Einheitsbandonion} (ab 1924), welches die letzte grundlegende Änderung der wechseltönigen Bandonions darstellt, außer tonale „entscheidende“ Erweiterungen. Und andererseits das 142 tönige Bandoneón, in “Rheinischer Tonlage”, welches das „Überleben“ des Instrumententypes durch und im Tango sicherte.
Bandonion >> Bandoneon
Der Duden hat beide deutsche Schreibweisen vermerkt <Bandonion> (1929), <Bandoneon> (1934). Sie hätten einmal Karl Oriwohl wettern hören. Er hatte insofern recht, Heinrich Band und „Bandoneon“ sollte man nicht in Verbindung bringen. Diese weitverbreitete Schreibart entstand nach Bands Ableben.
Lassen wir es einen Engländer sprechen:
mit „i“ geschreiben hören wir <ai> – <Baendounaion>
mit „e“ geschrieben hören wir <i> – <Baendounion>.
Vielleicht ein Grund es mit „e“ zu schreiben, damit die englischsprachige Welt phonetisch „korrekt“ bleibt.
Bis etwa 1870 wurden Harmonika-Modelle als Accordion bezeichnet [22]. Es ist offenbar, dass man sich der Namensentwicklung zum „Akkordeon“ angleichen wollte. Wer diese Änderung veranlasste ist nicht erklärbar. In Meyers Lexikon 1878 wird das ‚Bandoneon‘ als verbesserte und ‚komplicirtere‘ Ziehharmonika genannt. Bei Bässler/Sa. gibt es ein Firmenschild aus dem Jahr 1900. Schon in den ersten Anzeigen der argentinischen Importeure wurde dies willig aufgenommen und mit dem Akzentzeichen „Akut“ versehen und seither als spanische Schreibweise „Bandoneón“ weltweit verwendet. Machen sie beim zweiten „o“ den Mund staunend offen und halten den Ton ein wenig. Sie werden merken wie das Bandoneón einen grazilen, ja majestätisch erfurchstvollen Klang gewinnt.
Gut und gerne zu merken: in Deutschland verkaufte Instrumente hießen in den Instrumentenkatalogen „Bandonion“. Exportinstrumente einmal Argentinien und zurück (Re-Importe) darf man „Bandoneón“ nennen.
Bandonion & Konzertinavereine
PER ASPERA AD ASTRA
„Durch das Raue zu den Sternen“
Sinnspruch der deutschen Bandonionbewegung
[„Bandonionvereine“ Karl-Georg Schroll – blattFuchs Verlag]
Im Ursprungsland erfreuten sich Konzertina und Bandonion, als Arbeiterinstrument großer Beliebtheit. Mit „Uhligs Symbolzeichen“ (auch Wäscheleinen-Notation genannt) konnte man nach langem 12-Stunden-Arbeitstag „einfach“ losspielen, die Tasten 1-2-3 links und rechts gedrückt, irgendwas „ruckeln“, rein < | > raus und schon klang es nach einem „Ländler“. Der erste „Harmonikaklub“ wurde 1874 in Chemnitz gegründet, in Krefeld gab es einen „Bandonion-Klub KR“ ab 1923. Bis 1935 gab es in fast jeder größeren Stadt einen Konzertina- & Bandonionverein.
Hamburg 43 Bremen 18 Berlin 60 Duisburg 50 Dortmund 30 Krefeld 1 Leipzig 63 Dresden 26 Chemnitz 40
Die Vereinsbandonisten spielten gleichsam Konzertina und Bandonion innerhalb eines Vereines und dies in verschiedensten Tonanordnungen. Am Abgriff der Altinstrumente ist erkennbar, sie spielten überwiegend in der alten Kernlage der Konzertina (Töne 1 bis 13), dies können die Restauratoren bestätigen. Die historische wechseltönige diatonische Kernlage der „Konzertina“ von Uhlig ist sowohl im „Rheinischen“ als auch im „Einheitsbandonion“ immer noch enthalten.
Schätzungen zufolge waren etwa 14.000 Spieler in Vereinen organisiert, die Hausmusiker nicht gezählt. Auf Fotos und Bildpostkarten aus dieser Zeit, fällt eines auf – es spielen nur Männer. Und sie spielten vor allem Heimatlieder, Operette, Walzer, Schlager, Shanties, Märsche. Mit den nationalromantischen Liedern zogen die Männer in zwei Weltkriege. Viele der Spieler kamen nicht zurück, das Instrument ward den Witwen Vermächtnis. In der Zeit des Dritten Reiches wurden sukzessive die Vereine von der Reichsmusikkammer „gleichgeschaltet“ und 1935 der Bundesverband der Bandonionvereine aufgelöst.
Karl-Georg Schroll aus Trier beleuchtet allumfassend das Bandonionvereinswesen in Deutschland vom Anfang bis zum bitteren Ende.
Santo Bandoneónes – die heiligen Bandonions
Die Arnoldsche Ära beginnt mit der Übernahme der Zimmermannschen Produktion durch Ernst Louis Arnold 1864 in Carlsfeld und offeriert jahrzehntelang als Marke „A“. 1888 wird eine neue Produktionshalle eingerichtet. Noch spielt das Instrument im entstehenden Tango keine Rolle, aber ab und an wird es schon „Bandoneon“ genannt. Doch im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts übernimmt es mehr und mehr die Klangidentifikation des Tango. Es kann seidenweich schrill sein, beherrscht klagendes Atmen – sentimentale Majorakkorde lassen die Lieder nie zu Ende gehen. Die gesellschaftlichen Zustände der gestrandeten Emigranten im brodelnden Kessel Buenos Aires brauchen diesen sehnsüchtigen Klang, der sich aus diesem Balg ziehen lässt. 1910 begründet Alfred Arnold neben
der väterlichen Fabrik sein eigenes Unternehmen ebenfalls mit der Marke „A“
.
Sein Bruder Wilhelm Paul Arnold stieg 1911 mit in das Unternehmen ein und beteiligte seinen Sohn Arno Arnold. Dieser wurde 1930 in die Geschäftsleitung aufgenommen. [20] Erst 1925 wird „ELA“ eingeführt und ab 1929 die Marke „AA“. „Doble A“ wird das legendäre Instrument des Tango und in zahlreichen Liedern besungen. Wir müssen dankbar sein, dass die Argentinier in stoischer Manier an der Klangdisposition „oktav“ samt dem gegebenen Griffsystem festgehalten haben. Wie und durch wen der Vollausbau bis zur 142er Tastaturentwicklung letztendlich stattgefunden hat, bleibt verborgen, wir dürfen getrost ELA vermuten – Band war es nicht. In den besten Zeiten wurden bis 600 Exemplare im Monat gebaut. [Die längsgeschliffenen Geraer DIX-Tonzungen sind das eigentlich „heilige“ des Instrumentes.] Der Kohlenstoffanteil, der Härtegrad/Elastitzität und die Ansprache (Einbiegung) der Tonzungen sind neben der Balgarbeit absolut klangprägend.

Es wurde in verschiedenen „Schönheitsmerkmalen“ bzw. Dekors geliefert: in schwarz und Natur (holzfarben), mit halber und mit voller [Nacarado] Perlmutteinlage. Importeure in Buenos Aires hießen Emilio Pitzer, Luis Mariani, Sharp und Veltren und versahen ihre Firmenstempel im Gehäusekasten oft mit Datum, so dass man heute noch sehen kann, wer wann das Instrument verkaufte. Diese Exportinstrumente hießen bei ELA „Cardenal“, „America“, „Echo“, „Tango“ und bei AA „Premier“ und „Campo“. Hier schöne Zusammenstellung vom Restaurator Carsten Heveling/Wuppertal [17]. Auch Hohner und das Versandhaus Herold & Meinel taten es Band gleich und exportierten unter ihrem Label Instrumente von ELA, AA und ungenannten Herstellern mit Eigennamen. Im Exportbereich hießen die Bandonions schon vom Hersteller her „Bandoneón“. Diese Schreibweise wurde für in Deutschland verkaufte Instrumente nie angewendet.
Ausklang

Mit der Enteignung der Arnoldschen Bandonionfabrik AA in Carlsfeld 1948 verschwanden die Konstruktionsunterlagen und mit ihnen der Geist & das Know How des Bandonionbaus. Die ehemaligen „Blosbalgnbauer“, nunmehr im VEB Bandonionfabrik vorm. Alfred Arnold, wussten in etwa noch “wos mer ner duhn misse” (was zu tun sei), um ein Bandonion zu fertigen, aber Materialbeschaffungsnot und geringe Nachfrage ließen die Produktion letztendlich 1964 unrentabel werden. Schon seit 1933 war Arno Arnold alleiniger Geschaftsführer der AA Produktion in Carlsfeld. Er gründete nach der Enteignung im hessischen Obertshausen 1949 eine neue Bandonionproduktion [20], welche erst 1971 eingestellt wurde. Die Ausführungsqualität dieser Arno-Arnold-Instrumente ist unbestritten, was Balg, Gehäuse, Lagerung, Dämpfung etc. betrifft. Der mangelnde Verkaufserfolg lässt sich auf den Einsatz von Akkordeon-Stimmen und das typische 50er-Jahre-Finish zurückführen. Ein kulturelles Erbe des Abendlandes schien erloschen. Das über hundert Jahre währende Wettrennen Bandonion kontra Akkordeon endete mit einem guten zweiten Platz für das Bandonion mit Produktionseinstellung. Einzig [Gerhard Birnstock] (1886-2007 Enkel Ernst Birnstock) hielt in Crimmitschau/Sa. die Stellung und baute und reparierte auch noch nach der „Wende“ (dt. Wiedervereinigung) Konzertinas und Bandonions z.T. aus Lagerbeständen.
Bandoneonbau heute
[Übersicht Instrumentenmacher und Restauratoren hier.]
Die Wiederbelebung des Instrumentenbaus gelang in Westberlin in den 1980er Jahren durch Klaus Gutjahr [12] und nach der „Wende“ in Klingenthal durch Uwe Hartenhauer (heute Stefan Fuhrig) [13]. Robert Wallschläger [14] machte seinen „Handzuginstrumentenmachermeister“ bei Harthenhauer und baut und restauriert Bandonions in Carlsfeld [Artikel Erzgebirge aktuell]. Als weiteren großartigen Instrumentenmacher möchte ich noch Ralf Skala [15] benennen, der für die „Bandonion & Concertinafabrik Klingenthal GmbH“ [16] arbeitet und für Konstruktion und Klangqualität der Instrumente verantwortlich zeichnet. In Argentinien bauen Oscar Fischer, Toscano und Estol kleine Serien. Harry Geuns [21] in Belgien restauriert und baut Hybridbandoneons. Weitere Instrumentenmacher gibt es in der Schweiz und in Italien (siehe Übersicht)
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Museen Konzertina, Bandonion, Harmonika, Harmonium
Die Sammlung Karl Oriwohl
Onlinemuseum von H. Mattheß Dresden
www.bandonioninfo.de
Tango- und Bandoneonmuseum Staufen
Grunerner Straße 1
D-79219 Staufen im Breisgau
AKKORDEON MUSEUM – „Sammlung historische Handharmonika 1830 – 1945“
4936 Kleindietwil, Switzerland
Linknachweise:
- https://www.youtube.com/Tonverfolgung „Adiós Noninio„
- https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/heinrich-band/DE-2086/lido/57c572d176c723.71235931 (abgerufen am 08.03.2021)
- https://www.brunel.net/de-de/blog/technik/erfinder-der-gluehbirne
- Tango-Quetsche-aus-dem-Rheinland.html
- https://carl-friedrich-uhlig.de/ueber-carl-friedrich-uhlig/carl-friedrich-uhlig-1789-1874/biografie/
- https://www.bandonionverein-carlsfeld.de/das-bandonion/geschichte
- https://www.iwkoeln.de/fileadmin/publikationen/2016/280269/IW_PP_2016-7_Migration.pdf
- https://rp-online.de/nrw/staedte/krefeld/krefeld-neues-buch-zum-bandoneon-und-heinrich-band_aid-51200053
- https://bandoneón.com/faktencheck/
- Bilddokumentation der Sammlung Oriwohl/Bln. durch H. Mattheß/DD
- http://info-netz-musik.bplaced.net/?p=16941 >>> https://blattfuchs.de/produkt-kategorie/print-produkte/sachbuecher/bandonionvereine/
- https://www.klausgutjahr.de/
- https://www.bandoneon-hartenhauer.de/
- http://www.hzi-carlsfeld.de
- https://www.hzi-skala.de/
- https://bandonionfabrik.de/
- https://bando-bando.de/verschiedenes/modelle.html
- https://www.nmz.de/politik-betrieb/musikwirtschaft/bergmannsklavier-und-seele-des-tango-bandoneon-erfinder-heinrich
- https://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/fachinfo/www/kunst/digilit/weltausstellungen/1851_London.html
- https://www.arno-arnold.de/de/%C3%BCber-uns/historie
- https://bandoneon-maker.com/
- https://harmonikaverband.at/2018/08/10/175-jahre-accordion/
Weitere Links zur Historie:
- https://bando-bando.de/verschiedenes/historisches.html [Instrumentenhersteller]
- https://www.bandonionverein-carlsfeld.de/index.php/das-bandonion/geschichte
- https://www.bandomecum.com.ar/bandoneon-desde-un-squeezebox/
- https://bandonioninfo.de/de/antworten.htm
- https://escuelatangoba.com/marcelosolis/history-of-tango-part-5/
- https://www.bandoneonist.ch
…und was sagt der Meister dazu?